Ein Krimi mit kleinen Schwächen

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Cay Rademacher zählt nicht unbedingt zu den bekanntesten Autoren. Am ehesten noch durch seine Krimi-Reihe um den französischen Capitaine Roger Blanc, die ich wirklich liebe und jedem empfehle, der die Provence mag und an gut recherchierten Krimis mit fundiertem Hintergrund interessiert ist. Dass er bereits etliche Kriminalromane veröffentlicht hat, wissen die meisten nicht.

Worum geht es in seinem neusten Kriminalroman? Im letzten Sommer der goldenen 20er Jahre sticht in Marseille der Luxusdampfer Champollion in See, an Bord Theodor Jung, ein Fotoreporter der »Berliner Illustrirten« zusammen mit seiner Frau Dora und deren Familie. Sie sind auf einer Reise durch den Suezkanal bis nach Maskat im Oman. Während Jung die Reise fotografisch begleiten soll, führen seinen Schwiegervater, ein ehrbarer Kaufmann aus Hamburg, zweifelhafte Geschäfte in den Orient. Die erste Klasse macht es sich auf dem Oberdeck bequem, diniert unter ägyptischen Flair und schlürft Champagner. Im Unterdeck reisen aber auch einige zwielichtige Ganoven mit. Ebenfalls unter der illusteren Gesellschaft eine bekannte Nackttänzerin, die ein gutes Beispiel ist für die Frivolität der Zwanziger. Doch schon nach wenigen Tagen verschwindet Doro Jung spurlos. Keiner der Passagier, einschließlich ihrer Familie, will sie aber an Bord gesehen haben. Theodor macht sich auf die Suche nach ihr und gerät in einige prekäre Situationen und muss selbst um sein Leben fürchten.

Rademacher zeichnet ein wirklich facettenhaftes, gelungenes Bild der Zwanziger. Er schaffte es, mich von der Atmosphäre auf dem Schiff, dem Abstecher zu den Pyramiden, die Fahrt durch den Suezkanal zu überzeugen. Ein Krimi gepaart mit einem eindrucksvollen Reisebericht. Denn es ist eine aufregende Zeit gewesen, ich denke da auch an die Entdeckung des Grabes von Tutanchamuns durch Howard Carter, dem die Passagiere begegnen.

Ein kurzweiliges Vergnügen im Stil von Agatha Christie. Die meisten der Charaktere waren glaubwürdig und typisch für ihre Zeit, ihre Handlungen nachvollziehbar. Einige aber blieben etwas farblos, andere überzeichnet. Aber das war für mich nicht weiter schlimm. Auch war mir bewusst, dass Kriminalromane bisweilen etwas langsamer daherkommen und oft das Verbrechen zugunsten der Milieuschilderung zurücktritt. Das war auch hier der Fall. Daher war die Spannung auch eher mäßig, etwas zu verhalten für meinen Geschmack. Das Rademacher Spannung schreiben kann, beweist er ja seit Jahren mit seinen Provence-Krimis. Diese Schwäche hätte ich ihm noch verziehen. Leider gab es ein paar Personen an Bord, deren Sinneswandlungen für mich nicht wirklich nachvollziehbar waren. Der Kriminalfall kam nicht in die Pötte, alles dümpelte so vor sich hin. Okay, auch das hätte ich geschluckt. Allerdings war das laue Ende das, was mich letztlich etwas enttäuscht zurückgelassen hat. Bringen wie es auf den Punkt: Die Verpackung war schillern und farbenfroh, der Inhalt geschmacklich etwas fade. Aber weil er zu meinen Wohlfühlautoren zählt und viel an dem Krimi passte, gibts trotzdem eine Leseempfehlung von mir.
Außerdem möchte ich euch an der Stelle seine Krimi-Reihe ans Herz legen, denn auch sprachlich konnte er mich da mehr überzeugen.