„Schön, aber leer: Eine stille Studie über das perfekte Leben“

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Die Perfektionen von Vincenzo Latronico überzeugt schon äußerlich mit einem zurückhaltenden, aber eleganten Cover. Es zeigt ein Interieur, das gleichzeitig modisch und leer wirkt – ein stimmiges Bild für das Thema des Romans. Die Geschichte begleitet ein junges Paar, das aus Südeuropa nach Berlin zieht, um dort ein möglichst „perfektes“ Leben zu führen – voller Designermöbel, klarer Linien, schöner Bilder und noch schönerer Selbstdarstellung. Ohne in konkrete Handlungsschilderung zu verfallen, zeigt der Roman, wie diese Idee von Perfektion langsam Risse bekommt. Alles ist da, was sie sich wünschen – und doch fühlt sich nichts erfüllt an.

Latronicos Stil ist kühl, distanziert, beinahe klinisch, aber gerade dadurch enorm präzise. Es gibt kaum Dialoge, keine großen emotionalen Ausbrüche – die Erzählung lebt vom Beobachten, vom Erfassen der Oberflächen und dem schleichenden Gefühl, dass etwas fehlt. Dabei wird das Lebensgefühl einer Generation eingefangen, die sich in Ästhetik und Selbstinszenierung verliert. Die Figuren bleiben ein Stück weit unnahbar, wirken aber gerade deshalb glaubwürdig. Sie sind keine klassischen Romancharaktere, sondern Projektionen eines Lebensentwurfs, der überall funktionieren könnte – in Berlin, Mailand, Lissabon oder auf Instagram.

Was mich an dem Buch besonders beeindruckt hat, ist seine Klarheit. Es urteilt nicht, es beschreibt – und regt gerade deshalb zum Nachdenken an. Es ist ein stilles, fast unheimliches Buch, das sehr genau unsere Zeit einfängt. Wer schnelle Handlungen oder emotionale Dramatik sucht, wird hier nicht fündig. Wer sich aber für gesellschaftliche Fragen, für das Verhältnis von Echtheit und Inszenierung interessiert, findet in diesem schmalen Roman eine bemerkenswert dichte Reflexion.

Ich empfehle Die Perfektionen allen Leser*innen, die subtile Gesellschaftsanalyse und präzise Sprache schätzen. Es ist ein leises, intelligentes Buch – und gerade deshalb eines, das lange nachhallt.