Verirrt zwischen Schein und Sein

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Die Italiener Anna und Tom haben vor Jahren sich in Berlin niedergelassen und leben dort als Freelancer im Bereich Medien und Kommunikation. Das Leben, das sie sich in der deutschen Hauptstadt aufgebaut haben, ähnelt das anderer Expats, die Berlin mit offenen Armen aufgenommen hat. Über die Jahre verändern sich ihre Gefühle und Bedürfnisse, sowie, je nach Ankunft oder Rückzug, die Gemeinschaft der Expats.

Der Schutzumschlag des türkisfarbenen Covers illustriert sehr passend die Welt der Kommunikation und Social Media, in der viel mit Filtern und Retuschieren gearbeitet wird. Wie zwei in einem prekären Gleichgewicht gehalten Waagschalen wird ein pseudoperfekter Umfeld vorgetäuscht, in dem Anna und Tom sich verirrt haben.

Mit einem unkonventionellen aber hochwertigen Schreibstil führt Vincenzo Latronico den Leser zuerst durch die Berliner Wohnung, in der Anna und Tom leben und arbeiten. Er beschreibt danach ihr Leben in der Hauptstadt, die Kreise, in den sie sich begeben, ihre Freizeiten, ihre Aktivitäten, ihre Gewohnheiten, sowie ihre Interessen und Gelüste. Dabei gibt der Autor einige Hinweise zur Zeitschiene der Erzählung.

Obwohl dieses Buch ausschließlich aus Beschreibungen besteht, kam es mir nie langwierig vor, was eine hochgradige Beherrschung der Sprache beweist. Allerdings lassen diese ungewöhnlich langen und detaillierten Beschreibungen Anna und Tom innerhalb ihrer Umfeld und Leben passiv wirken. Außerdem haben Anna und Tom trotz unzähliger Jahre in Berlin die Gelegenheit verpasst, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Deshalb fällt es mir schwer, mich in den beiden wiederzuerkennen.

Aufgrund von der überschaubaren Länge passt dieser Roman gut zwischen zwei langen und anspruchsvollen Lektüren. Allerdings ist es keine leichte Kost und nur eifrigen Lesern, die Spaß an einem unkonventionellen und hochentwickelten Schreibstil haben, zu empfehlen.