Poetische japanische Abenteuerreise

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
scarletta Avatar

Von

Die amerikanische Autorin Miya T. Beck folgt mit großer Neugier den Spuren ihrer japanischen Herkunft. Diese Wurzeln führen sie zu den Mythen und Legenden Japans, aus denen sie eine ganz neue fantastische Geschichte für Jugendliche webt. Auch für mich als Erwachsene war es ein großer Lesegenuss in diese Bilderwelt einzutauchen.

‘Eintauchen‘ ist da die passende Metapher, denn mit den beiden Hauptcharakteren, den Zwillingen Kai und Kishi lernen wir zwei blutjunge Perlentaucherinnen kennen. Kai stellt ihre Familie vor, in der die Frauen die Aufgabe des Tauchens übernehmen. Eine gefährliche Tätigkeit, so mussten sie vor nicht allzu langer Zeit erleben, wie die geliebte Tante Hamako ihr Leben dabei verlor. Kein Wunder, dass die Eltern nun natürlich noch vorsichtiger sind und strenge Regeln aufstellen.

So hat Kishi jüngst den Schritt getan und hat sich beim Perlentauchen ihre Tauchkappe verdient. Kai muss sich da noch bemühen, denn es fällt ihr schwer, sich geduldig und folgsam den Anweisungen der Mutter zu fügen. Diese verlangt zum Beispiel, dass bei einem Tauchgang auch nur ein Perlenfund mit an die Wasseroberfläche geholt werden darf.

Doch genau so ein Regelverstoß Kais führt dazu, dass Kishi in die Fänge des legendären Geisterwals gerät und in die Tiefen der Unterwelt verschleppt wird. Ihre Zwillingsschwester Kai lässt sich nicht daran hindern, alles zu versuchen, Kishi zu retten. Doch wer kann verhindern, dass die Schwester ins Reich der Toten übergeht?

Kai zögert nicht, in Verhandlung mit dem mythischen Drachenkönig zu treten, einen Handel mit der Göttin der Unterwelt einzugehen und zu versuchen, die verlangte magische Perle der Königin der Fuchsdämonen zu erringen. Eine abenteuerliche, gefahrvolle Reise steht Kai bevor, die sie fort vom geliebten Meer in die Lüfte, auf die Berge, in Höhlen und auf den Rücken eines Pferdes führen wird.
Nicht jeder, der ihr Hilfe anbietet, stellt sich als Freund heraus. Nicht jeder, der sie verletzt, ist ein Feind.

Fazit
Zunächst möchte ich mal meine Begeisterung über die bezaubernde Cover- und Buchschnitt-Gestaltung ausdrücken. Das Cover greift einige Elemente der Geschichte auf und bringt sie so fantastisch ins Bild.

Durch das Cover wird man gleich auch in den japanischen Background eingeführt. Genau diese Bilderwelten der japanischen Mythologie und Legenden hatten mich interessiert. Sie werden sehr einfühlsam und bildreich in die Geschichte eingewoben, sodass man nie überfordert ist. Doch auch mit der Härte, Gewalt und Grausamkeit jener Zeit wird man konfrontiert.

Die Riege der Protagonisten ist zwar vielfältig, aber auch gut überschaubar. Die junge Perlentaucherin Kai schildert aus ihrer Sicht das Geschehen. Man kann sich wunderbar mit dieser Figur identifizieren, die viele Abenteuer und eine rasante persönliche Entwicklung durchlebt. Die Zwillinge sind sehr gegensätzliche Charaktere, lieben sich aber innig. Kai sieht sich eher als den „bösen“ Zwilling. Tatsächlich ist sie anfangs ungeduldig und ungehorsam, aber ihr Durchsetzungswillen und Zielstrebigkeit sind es, die sie als tapfere Heldin durch ihr Abenteuer hindurch tragen werden. Ihre Liebe und Ergebenheit zu Kishi lassen sie treu ihre Mission durchhalten. Diese gefahrvolle Reise lässt sie reifen, erwachsen werden und Verantwortung übernehmen. Immer wieder stehen schmerzhafte Entscheidungen vor ihr. Von Anfang an zieht Kai aus den Mythen ihrer Heimat, die sie seit Kindertage begleiten, Weisheit und Kraft. Vielleicht schafft sie damit sogar einen neuen Heldenmythos. Das mitzuerleben ist sehr bereichernd.

Kai trifft unterwegs mythische Charaktere: Ryujin, den Drachenkönig, Benzaiten, die Herrin der Unterwelt und Beschützerin der Perlentaucherinnen und schließlich auch die Gestaltwandlerin Dakini, die Königin der Füchse. Alles sehr schillernde, spannende Gestalten. Das Böse oder Machtgierige tritt ihr als Banditen oder Warlord entgegen. Gelungen finde ich, dass man miterleben kann, wie ein Protagonist sich vom vermeintlichen Feind zum Freund wandelt.
Eine zarte Romanze wird angedeutet, doch die Erzählung wie auch Kai verlieren nie die Aufgabe und das Abenteuer aus dem Blick. Sehr schön, dass sich da der Fokus nicht ändert.

Die Geschichte um Kai und Kishi wird bildreich, emotional und fesselnd erzählt. Immer wieder nimmt die Handlung unerwartete Wendungen. Die Kombination aus japanischer Mythologie, Held(inn)engeschichte und Spannung ist absolut gelungen.
Das überraschende Ende wird vielleicht manchen verwundern oder Erwartungshaltungen enttäuschen. Ich fand es sehr philosophisch, poetisch und tiefsinnig.

Heimlich hoffe ich, dass Miya T. Beck vielleicht eine Fortsetzung schreiben könnte. Auf jeden Fall kann sie mit diesem Roman nicht nur die Leserschaft der Alterszielgruppe, sondern auch mich als Erwachsene verzaubern.