Zwischen zwei Kulturen und mehreren Generationen
Das Cover der Ausgabe ist ein Hingucker und erinnert mich ein wenig an die Pop Art-Drucke, die in den 60er Jahren in Mode kamen. Die Frau auf dem Cover, die haarscharf an dem Betrachter vorbeizuschauen scheint, wirkt geheimnisvoll und distanziert.
"Die Woche war eine einzige Cartoon- und Drogenparty gewesen, bis vor einer Stunde, als ich meine Tante Shirin gegen Kaution aus dem Gefängnis von Aspen holen musste, wo sie wegen versuchter Prostitution festgehalten wurde."
So beginnt das Erstlingswerk der im Iran geborenen und in Los Angeles aufgewachsenen Schriftstellerin Sanam Mahloudji, die mit dieser Erzählung ein vielschichtiges Porträt einer iranischen Familie vorlegt.
„Die Perserinnen“ widmet sich den Frauen einer persischen Familie, die vor der Islamischen Revolution 1979 zur Oberschicht gehörte (mit allen Pflichten und Privilegien, die nun einmal damit einhergehen).
Die Hauptfiguren gehören alle der Familie Valiat an, einer Familie, die ihre Wurzeln zum „Großen Reformer“ zurückverfolgen kann. Familienvermögen und Ansehen basieren auf dem Prestige des großen Vorfahren (der für sein politisches Ideal einer Demokratie im damaligen Persien in den Kampf zog und – wie leider doch recht viele Idealisten im Lauf der Geschichte – dafür mit seinem Leben bezahlte).
Seit dem Sturz des Schahs 1979 befinden sich die Töchter Shirin und Sima der Familie Valiat im amerikanischen Exil, während ihre Mutter Elizabeth mit der Enkelin Niaz im Iran zurückblieb.
Die Geschichte setzt auf dem alljährlich stattfindenden Familientreffen in Aspen ein, 1 Jahr nach dem Tod von Sima (Shirins Schwester und Bitas Mutter). Dort laufen die Dinge aus dem Ruder, als Shirin aufgrund ihres Verhaltens in einer Bar eine Anzeige wegen Anbahnung von Prostitution kassiert und statt im Hotel in der Arrestzelle der örtlichen Polizeistation landet.
Die Erzählung ist in zwei Zeitebenen gegliedert und wird durch 5 Frauen erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Ebene werden von den 1940er Jahren an die Lebensläufe der 5 Frauen beleuchtet. Die andere Ebene stellt die gegenwärtige Handlung dar, in deren Vordergrund die Folgen von Shirins Anzeige stehen.
Zu Wort kommt zum einen die jüngste Generation in Form von Bita, Simas Tochter, und Niaz, Shirins Tochter. Ihre Geschichten fand ich mit Abstand am interessantesten, vor allem, wenn man sie kontrastiert: Auf der einen Seite ist Bita, die in den USA in Wohlstand und Sicherheit aufgewachsen ist und diese als ihre Heimat betrachtet, auf der anderen Seite steht Niaz, die bei der Flucht ihrer Familie bei der Großmutter zurückblieb und den Iran nie verlassen hat. Niaz‘ Erzählungen verdeutlichen dem Leser das alltägliche Leben unter dem Mullah-Regime mit seinen Restriktionen und bringen einem den langsamen Wandel der iranischen Gesellschaft näher.
Ferner wird aus Sicht von Shirin und Sima erzählt. Als Sima zum ersten Mal das Wort erteilt wurde, kam mein Lesefluss zunächst ins Stocken, da es mir schwer fiel, das dahinterstehende Konstrukt zu verdauen; erfahren wir doch bereits im ersten Kapitel des Romans, dass Sima 04/2004 verstorben war. Dass eine Figur in einem Roman, der mir bis zu diesem Zeitpunkt überaus realistisch vorkam, aus einer Art „Zwischenleben“ heraus aus ihrer Vergangenheit berichtet, fand ich anfangs noch schwer nachzuvollziehen. Im weiteren Verlauf wollte ich Simas Kapitel dann aber nicht mehr missen, widmeten sie sich doch auf eine außergewöhnliche Weise wesentlichen Themen wie Ausgrenzung und Integration. Auch der Kontrast zwischen Simas eigener Erlebniswelt und der Art und Weise, wie ihre Familie sie von außen wahrnahm, war spannend zu verfolgen.
Mein größtes Problem mit der Erzählung bestand tatsächlich darin, dass ich keinen Zugang zu Shirin finden konnte. Shirin ist ohne jeden Zweifel eine polarisierende Figur – entweder ist man fasziniert von ihr und ihrem extravaganten Verhalten oder man kann sie nicht leiden. Bei mir schlug das Pendel leider schlussendlich in letztere Richtung aus.
Hatte ich anfänglich nach dem ersten Kapitel, das aus Shirins Perspektive erzählt wird, noch gedacht, dass es sich bei Shirin aufgrund ihrer inneren Konflikte und ihrer Gegensätzlichkeit um einen unsympathischen aber interessanten Charakter handeln könnte, den ich gern begleiten würde, so haben mir ihr narzisstisch anmutenden Charakterzüge mit ihrem ausgeprägten Mittelpunktbestreben und ihrem theatralischen und empathielosen Verhalten sowie ihre fehlende Selbstreflektion rasch den Nerv geraubt.
Schade, denn Shirin ist nun einmal eine zentrale Figur des Romans und die Autorin hat mit der Charakterisierung von Bita, Niaz und vor allem Sima gezeigt, dass sie es besser kann.
Die letzte der 5 Frauen, die zu Wort kommen, ist Elizabeth – sie ist mit Abstand die älteste der fünf Erzählerinnen, wurde sie doch in den 1930er Jahren geboren. Ihre Kapitel sind die einzigen Kapitel des Buches, die in der dritten Person erzählt werden, was ihnen auf der einen Seite einen etwas mystischen Eindruck verleiht (man hat immer das Gefühl, dass sowohl Elizabeth als auch der Leser ein Stück weit außerhalb der Handlung stehen), auf der anderen Seite zu einem ruckeligen Leseerlebnis führen, da sie in eine Handlung eingebettet sind, die hauptsächlich aus der Ich-Perspektive der einzelnen Frauen heraus erzählt wird.
Der Erzähltstil ist insgesamt flüssig und gut zu lesen, auf der einen Seite humorvoll und bildhaft, dann wiederum fast zu deutlich.
Insgesamt empfand ich es als interessant, den Schicksalen und den Gefühls- und Erlebniswelten der einzelnen Personen zu folgen. Allerdings gibt es insgesamt drei Wehrmutstropfen, derentwegen ich nur eine eingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen kann:
1.) Die zentrale Frage, die mich eigentlich zum Lesen motiviert hatte, kam meines Erachtens nach zu kurz: Wie setzen sich die Frauen mit der Vergangenheit und deren Auswirkungen auf ihre eigene Zukunft auseinander?
2.) Stellenweise fiel es mir schwer, für die Figuren Mitgefühl oder Verständnis zu entwickeln. Hierbei ist insbesondere der Handlungsstrang um Shirin zu nennen.
3.) Das eingeführte Familiengeheimnis ist in seiner Ausführung und Auflösung dann doch recht vorhersehbar.
Alles in allem ist „Die Perserinnen“ für mich ein vielschichtiges und ambitioniertes Debüt, das einem aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven ein vielgestaltiges Bild der Figuren als auch der Geschichte der Familie Valiat liefert, das aber am Ende leider nicht vollständig einhalten kann, was es verspricht. Daher vergebe ich insgesamt 3/5 möglichen Sternen.
Trotz der Abstriche kann ich mir durchaus vorstellen, dass dies nicht das letzte Buch der Autorin ist, das seinen Weg in meinen Bücherschrank findet.
"Die Woche war eine einzige Cartoon- und Drogenparty gewesen, bis vor einer Stunde, als ich meine Tante Shirin gegen Kaution aus dem Gefängnis von Aspen holen musste, wo sie wegen versuchter Prostitution festgehalten wurde."
So beginnt das Erstlingswerk der im Iran geborenen und in Los Angeles aufgewachsenen Schriftstellerin Sanam Mahloudji, die mit dieser Erzählung ein vielschichtiges Porträt einer iranischen Familie vorlegt.
„Die Perserinnen“ widmet sich den Frauen einer persischen Familie, die vor der Islamischen Revolution 1979 zur Oberschicht gehörte (mit allen Pflichten und Privilegien, die nun einmal damit einhergehen).
Die Hauptfiguren gehören alle der Familie Valiat an, einer Familie, die ihre Wurzeln zum „Großen Reformer“ zurückverfolgen kann. Familienvermögen und Ansehen basieren auf dem Prestige des großen Vorfahren (der für sein politisches Ideal einer Demokratie im damaligen Persien in den Kampf zog und – wie leider doch recht viele Idealisten im Lauf der Geschichte – dafür mit seinem Leben bezahlte).
Seit dem Sturz des Schahs 1979 befinden sich die Töchter Shirin und Sima der Familie Valiat im amerikanischen Exil, während ihre Mutter Elizabeth mit der Enkelin Niaz im Iran zurückblieb.
Die Geschichte setzt auf dem alljährlich stattfindenden Familientreffen in Aspen ein, 1 Jahr nach dem Tod von Sima (Shirins Schwester und Bitas Mutter). Dort laufen die Dinge aus dem Ruder, als Shirin aufgrund ihres Verhaltens in einer Bar eine Anzeige wegen Anbahnung von Prostitution kassiert und statt im Hotel in der Arrestzelle der örtlichen Polizeistation landet.
Die Erzählung ist in zwei Zeitebenen gegliedert und wird durch 5 Frauen erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Ebene werden von den 1940er Jahren an die Lebensläufe der 5 Frauen beleuchtet. Die andere Ebene stellt die gegenwärtige Handlung dar, in deren Vordergrund die Folgen von Shirins Anzeige stehen.
Zu Wort kommt zum einen die jüngste Generation in Form von Bita, Simas Tochter, und Niaz, Shirins Tochter. Ihre Geschichten fand ich mit Abstand am interessantesten, vor allem, wenn man sie kontrastiert: Auf der einen Seite ist Bita, die in den USA in Wohlstand und Sicherheit aufgewachsen ist und diese als ihre Heimat betrachtet, auf der anderen Seite steht Niaz, die bei der Flucht ihrer Familie bei der Großmutter zurückblieb und den Iran nie verlassen hat. Niaz‘ Erzählungen verdeutlichen dem Leser das alltägliche Leben unter dem Mullah-Regime mit seinen Restriktionen und bringen einem den langsamen Wandel der iranischen Gesellschaft näher.
Ferner wird aus Sicht von Shirin und Sima erzählt. Als Sima zum ersten Mal das Wort erteilt wurde, kam mein Lesefluss zunächst ins Stocken, da es mir schwer fiel, das dahinterstehende Konstrukt zu verdauen; erfahren wir doch bereits im ersten Kapitel des Romans, dass Sima 04/2004 verstorben war. Dass eine Figur in einem Roman, der mir bis zu diesem Zeitpunkt überaus realistisch vorkam, aus einer Art „Zwischenleben“ heraus aus ihrer Vergangenheit berichtet, fand ich anfangs noch schwer nachzuvollziehen. Im weiteren Verlauf wollte ich Simas Kapitel dann aber nicht mehr missen, widmeten sie sich doch auf eine außergewöhnliche Weise wesentlichen Themen wie Ausgrenzung und Integration. Auch der Kontrast zwischen Simas eigener Erlebniswelt und der Art und Weise, wie ihre Familie sie von außen wahrnahm, war spannend zu verfolgen.
Mein größtes Problem mit der Erzählung bestand tatsächlich darin, dass ich keinen Zugang zu Shirin finden konnte. Shirin ist ohne jeden Zweifel eine polarisierende Figur – entweder ist man fasziniert von ihr und ihrem extravaganten Verhalten oder man kann sie nicht leiden. Bei mir schlug das Pendel leider schlussendlich in letztere Richtung aus.
Hatte ich anfänglich nach dem ersten Kapitel, das aus Shirins Perspektive erzählt wird, noch gedacht, dass es sich bei Shirin aufgrund ihrer inneren Konflikte und ihrer Gegensätzlichkeit um einen unsympathischen aber interessanten Charakter handeln könnte, den ich gern begleiten würde, so haben mir ihr narzisstisch anmutenden Charakterzüge mit ihrem ausgeprägten Mittelpunktbestreben und ihrem theatralischen und empathielosen Verhalten sowie ihre fehlende Selbstreflektion rasch den Nerv geraubt.
Schade, denn Shirin ist nun einmal eine zentrale Figur des Romans und die Autorin hat mit der Charakterisierung von Bita, Niaz und vor allem Sima gezeigt, dass sie es besser kann.
Die letzte der 5 Frauen, die zu Wort kommen, ist Elizabeth – sie ist mit Abstand die älteste der fünf Erzählerinnen, wurde sie doch in den 1930er Jahren geboren. Ihre Kapitel sind die einzigen Kapitel des Buches, die in der dritten Person erzählt werden, was ihnen auf der einen Seite einen etwas mystischen Eindruck verleiht (man hat immer das Gefühl, dass sowohl Elizabeth als auch der Leser ein Stück weit außerhalb der Handlung stehen), auf der anderen Seite zu einem ruckeligen Leseerlebnis führen, da sie in eine Handlung eingebettet sind, die hauptsächlich aus der Ich-Perspektive der einzelnen Frauen heraus erzählt wird.
Der Erzähltstil ist insgesamt flüssig und gut zu lesen, auf der einen Seite humorvoll und bildhaft, dann wiederum fast zu deutlich.
Insgesamt empfand ich es als interessant, den Schicksalen und den Gefühls- und Erlebniswelten der einzelnen Personen zu folgen. Allerdings gibt es insgesamt drei Wehrmutstropfen, derentwegen ich nur eine eingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen kann:
1.) Die zentrale Frage, die mich eigentlich zum Lesen motiviert hatte, kam meines Erachtens nach zu kurz: Wie setzen sich die Frauen mit der Vergangenheit und deren Auswirkungen auf ihre eigene Zukunft auseinander?
2.) Stellenweise fiel es mir schwer, für die Figuren Mitgefühl oder Verständnis zu entwickeln. Hierbei ist insbesondere der Handlungsstrang um Shirin zu nennen.
3.) Das eingeführte Familiengeheimnis ist in seiner Ausführung und Auflösung dann doch recht vorhersehbar.
Alles in allem ist „Die Perserinnen“ für mich ein vielschichtiges und ambitioniertes Debüt, das einem aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven ein vielgestaltiges Bild der Figuren als auch der Geschichte der Familie Valiat liefert, das aber am Ende leider nicht vollständig einhalten kann, was es verspricht. Daher vergebe ich insgesamt 3/5 möglichen Sternen.
Trotz der Abstriche kann ich mir durchaus vorstellen, dass dies nicht das letzte Buch der Autorin ist, das seinen Weg in meinen Bücherschrank findet.