alles nur Theater oder wo beginnt die Wirklichkeit
Eine 49jährige Schauspielerin trifft sich in einem New Yorker Restaurant mit einem 25jährigen gutaussehenden Mann namens Xavier. Eine fast alltägliche Szene, denn es könnte ein Treffen zwischen Theaterkollegen sein, ein Treffen zwischen losen Bekannten, ein Treffen zwischen jugendlichem Liebhaber und alternder Frau, ein Treffen zwischen Mutter und Sohn. Eine der genannten Alternativen läßt sich zunächst direkt ausschließen, nämlich die, dass es sich bei dem gemeinsamen Essen um Mutter und Sohn handelt, denn die Protagonistin und Ich-Erzählerin ist kinderlos. Der junge Mann nun behauptet dennoch ihr Sohn zu sein.
So beginnt der Roman und setzt mit dieser Anfangsszene den Dreh- und Angelpunkt, der sich durch das gesamte Buch zieht. Während der Leser in Teil 1, der sich hauptsächlich in der Welt des Theaters abspielt, annehmen muß, dass Xavier keineswegs der Sohn der Protagonistin sein kann, entfaltet sich in Teil 2 ein Szenario, das diese Annahme komplett in Frage stellt. Teil 2 beleuchtet hauptsächlich das Zusammenleben der Protagonistin mit ihrem Ehemann in deren schicken Appartement im West Village Manhattans. In die langjährige Ehe bricht der junge Xavier ein und wird hier eine vielsagende Rolle übernehmen.
In diesem Roman geht es vordergründig um ein Theaterstück, in dem die Protagonistin die Hauptrolle spielt und Xavier, der als Assistent der Regisseurin eingestellt wird, sowie der Ehemann der Protagonistin wichtige Nebenrollen spielen. Der Leser, in Teil 1 noch überzeugt von der Wirklichkeit dessen, was erzählt wird, wird von der Autorin in Teil 2 gekonnt auf ein ganz anderes Gleis gesetzt, ist verwirrt und merkt erst bei sehr genauer, aufmerksamer Lektüre, dass schon zu Anfang der Geschichte viele Fährten gelegt werden. Aber deuten diese Fährten auf das, was hier tatsächlich im Theaterstück nur geschauspielert wird oder auf das, was sich im Leben der Beteiligten tatsächlich zugetragen hat ?
Die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten des Romans in psychologischer, philosophischer, ja gesellschaftspolitischer Hinsicht haben sich mir erst beim zweiten Lesen erschlossen. Geschickt angelehnt an die Welt des Theaters, des Schauspiels, geht es um Rollen, die wir im Leben spielen, um Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung, darum, was ist Realität. Ist Realität im strengen naturwissenschaftlichen Sinn vordergründig ein unumstößliches Faktum, hintergründig aber eine subjektiv wahrgenommene Wirklichkeit, beeinflußt von Emotionen, unserem Charakter, von uns zugeschriebenen Rollen und eigenen Vorstellungen von uns selbst, also alles andere als unumstößlich ?
Dieser Roman regte mich, die ich weder Psychologin noch Philosophin noch Sozialwissenschaftlerin bin, zum Denken an über Fragen, die ich mir selten oder so noch nie gestellt habe, wirkte nach wie kein anderer Roman, den ich bisher gelesen habe. Ob meine Deutungen richtig sind, darf selbstverständlich bezweifelt werden, was durchaus kein Manko des Romans ist, sondern vielmehr sein großes Plus. Man muss allerdings Spass daran haben, sich mit vielen möglichen Lösungen auseinanderzusetzen.
So kam bei dieserart Lektüre in keiner Minute Langeweile auf. Im Gegenteil, die Suche nach der "Wahrheit", war sehr spannend, auch wenn es eine Lösung, eine Wahrheit, so wie der Roman angelegt ist und wie ich es deute, wohl nicht gibt. Hinzu kommt, dass die Autorin wunderbar formulieren kann. Die Bilder, die sie heraufbeschwört, führen direkt ins Gehirn der Protagonistin und lassen deren innere Welten, so abstrus sie sich auch im Verlauf des Romans entwickeln, bildlich vor dem Auge des Lesers entstehen. Man kann fast sagen, sie "spielt" ihr Inneres gekonnt aus, womit wir wieder in der Welt des Theaters wären.
Ein anspruchsvoller Roman, der dem Leser viel abverlangt, keine Strandlektüre und völlig zu Recht auf der Longlist des diesjährigen Booker Prizes. Mein Interesse an weiteren Romanen der Autorin ist geweckt. Wie ich las, ist "Die Probe" der dritte Teil einer im Hanser Verlag erschienenen Romantrilogie. Die Vorgängerromane sind "Trennung" und "Intimitäten".
Ich vergebe 5 Sterne für diesen nur rund 180 seitenlangen, gehaltvollen Roman.
So beginnt der Roman und setzt mit dieser Anfangsszene den Dreh- und Angelpunkt, der sich durch das gesamte Buch zieht. Während der Leser in Teil 1, der sich hauptsächlich in der Welt des Theaters abspielt, annehmen muß, dass Xavier keineswegs der Sohn der Protagonistin sein kann, entfaltet sich in Teil 2 ein Szenario, das diese Annahme komplett in Frage stellt. Teil 2 beleuchtet hauptsächlich das Zusammenleben der Protagonistin mit ihrem Ehemann in deren schicken Appartement im West Village Manhattans. In die langjährige Ehe bricht der junge Xavier ein und wird hier eine vielsagende Rolle übernehmen.
In diesem Roman geht es vordergründig um ein Theaterstück, in dem die Protagonistin die Hauptrolle spielt und Xavier, der als Assistent der Regisseurin eingestellt wird, sowie der Ehemann der Protagonistin wichtige Nebenrollen spielen. Der Leser, in Teil 1 noch überzeugt von der Wirklichkeit dessen, was erzählt wird, wird von der Autorin in Teil 2 gekonnt auf ein ganz anderes Gleis gesetzt, ist verwirrt und merkt erst bei sehr genauer, aufmerksamer Lektüre, dass schon zu Anfang der Geschichte viele Fährten gelegt werden. Aber deuten diese Fährten auf das, was hier tatsächlich im Theaterstück nur geschauspielert wird oder auf das, was sich im Leben der Beteiligten tatsächlich zugetragen hat ?
Die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten des Romans in psychologischer, philosophischer, ja gesellschaftspolitischer Hinsicht haben sich mir erst beim zweiten Lesen erschlossen. Geschickt angelehnt an die Welt des Theaters, des Schauspiels, geht es um Rollen, die wir im Leben spielen, um Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung, darum, was ist Realität. Ist Realität im strengen naturwissenschaftlichen Sinn vordergründig ein unumstößliches Faktum, hintergründig aber eine subjektiv wahrgenommene Wirklichkeit, beeinflußt von Emotionen, unserem Charakter, von uns zugeschriebenen Rollen und eigenen Vorstellungen von uns selbst, also alles andere als unumstößlich ?
Dieser Roman regte mich, die ich weder Psychologin noch Philosophin noch Sozialwissenschaftlerin bin, zum Denken an über Fragen, die ich mir selten oder so noch nie gestellt habe, wirkte nach wie kein anderer Roman, den ich bisher gelesen habe. Ob meine Deutungen richtig sind, darf selbstverständlich bezweifelt werden, was durchaus kein Manko des Romans ist, sondern vielmehr sein großes Plus. Man muss allerdings Spass daran haben, sich mit vielen möglichen Lösungen auseinanderzusetzen.
So kam bei dieserart Lektüre in keiner Minute Langeweile auf. Im Gegenteil, die Suche nach der "Wahrheit", war sehr spannend, auch wenn es eine Lösung, eine Wahrheit, so wie der Roman angelegt ist und wie ich es deute, wohl nicht gibt. Hinzu kommt, dass die Autorin wunderbar formulieren kann. Die Bilder, die sie heraufbeschwört, führen direkt ins Gehirn der Protagonistin und lassen deren innere Welten, so abstrus sie sich auch im Verlauf des Romans entwickeln, bildlich vor dem Auge des Lesers entstehen. Man kann fast sagen, sie "spielt" ihr Inneres gekonnt aus, womit wir wieder in der Welt des Theaters wären.
Ein anspruchsvoller Roman, der dem Leser viel abverlangt, keine Strandlektüre und völlig zu Recht auf der Longlist des diesjährigen Booker Prizes. Mein Interesse an weiteren Romanen der Autorin ist geweckt. Wie ich las, ist "Die Probe" der dritte Teil einer im Hanser Verlag erschienenen Romantrilogie. Die Vorgängerromane sind "Trennung" und "Intimitäten".
Ich vergebe 5 Sterne für diesen nur rund 180 seitenlangen, gehaltvollen Roman.