Die Rolle ihres Lebens

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In die Probe entführt uns Katie Kitamura in die Welt von Theater und Schauspiel, verwischt die Grenzen zwischen Spiel und Realität und zeigt so kunstvoll auf wie sehr auch unser Alltag von einem performativen Charakter durchdrungen ist - eine Erkenntnis, die gerade in der Soziologie spätestens seit Erving Goffmans - Wir alle spielen Theater nicht neu ist. Kitamura verwandelt daraus ein Kammerspiel ohne Kammer, im Fokus: Die namenlose Ich-Erzählerin, ethnisch asiatische Schauspielerin Ende 40, ihr Ehemann Tomas und Xavier, ein junger Schauspielschüler, der ihr eines Tages eröffnet zu glauben ihr Sohn zu sein.

Aus Perspektive der Ich-Erzählerin begleitet der erste Teil das Kennenlernen Xaviers und die Konfrontation mit seiner Vermutung. Im zweiten Teil zieht Xavier unter einer neuen Prämisse bei der Ich-Erzählerin und Tomas ein und so beginnt ein unterhaltsames bis verstörendes Verwirrspiel.

Der Stil war für mich anfangs eher schwer zugänglich, sprunghaft Gedanken folgend, Sätze und Gedanken zuweilen nicht oder nur ansatzweise ausformuliert. Das hat einen gewissen Reiz, wirkt künstlerisch, und doch hat es mich nicht ganz gepackt. Zumindest im ersten Teil. Mir fehlte dieses Gefühl von Eindringlichkeit, das mich in eine Geschichte hinein zieht. Der zweite Teil wirkte auf mich stilistisch anders, mitnehmender.

Thematisch erfasst Kitamura neben der rahmengebenden Rollentheorie zahlreiche Aspekte in diesem schmalen Band: ethnisch gelesenes Frausein im 21. Jahrhundert, Schwangerschaft, Mutterschaft, Fehlgeburt, Abtreibung, die Charakteristika der Schauspielwelt (und als Frau darin). All dies wird angedeutet, jedoch zu oft nicht wirklich auserzählt.

Gelungen durchzieht die Metapher der Bühne die Handlung. Eine frühe Anspielung, die die Ich-Erzählerin macht, dass alles, jedes Spiel zwei Ebenen hat, findet sich kunstvoll in den weiteren Ausführungen eingeflochten und wird konsequent bis zum Ende verfolgt - eine Rolle spielen, im Theater wie im Leben.

Die Probe ist vom Ende betrachtet verstörend, irritierend und genau dies ist vermutlich gewollt. Ein Roman, der durch seine Konstruktion die Lesenden einlädt, ihm Bedeutung zu verleihen, ihn auszufüllen, viel mehr als das gewöhnlich vielleicht in Ansätzen in anderen Erzählungen ausprobiert wurde. Für mich ist dieses Experiment nur teilweise gelungen. Die Autorin ist ohne Frage brillant und scharfsinnig. Letztlich ist mir der Raum, der zur Interpretation bleibt jedoch zu groß und öffnet so eine Tür zur Beliebigkeit in der Deutung, daher insgesamt gute 3,5 Punkte von mir.