Oh mein Gott, was war das denn bitte?

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bluenotes Avatar

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„Die Probe“ klingt nach allem, was ich liebe: klug, sprachlich stark, viele interessante Gedanken über Kunst, Identität und Wahrnehmung. Katie Kitamura hat definitiv einen Blick für Details, die gleichzeitig auf der Handlungsebene und auf einer Metaebene funktionieren.

Im Zentrum steht eine gefeierte Schauspielerin, die mitten in den Proben für eine Premiere steckt. Bei einem Mittagessen in Manhattan trifft sie auf Xavier, einen jungen Mann, der eine verstörende Behauptung aufstellt und damit eine Kette von Ereignissen auslöst, die ihre Realität ins Wanken bringt.

Am Anfang war ich auch wirklich drin. Ich mochte, wie beiläufig Themen wie kulturelle Rollenbilder, Zugehörigkeit oder das Selbstverständnis als Künstlerin auftauchen. Manche Sätze waren so großartig formuliert, dass ich sie zweimal lesen musste. Man merkt, dass Kitamura Atmosphäre kann und dass jedes Wort sitzt.

Aber irgendwann war ich raus. Mir fehlte durchgehend ein roter Faden, etwas, das mich durch den Text zieht. Stattdessen blieb alles bewusst offen, Szenen endeten einfach, vieles wurde nicht aufgelöst. Das kann man literarisch spannend finden, mich hat es eher müde gemacht.

Der Roman will, dass man sich in den Lücken bewegt, Bedeutungen zusammensetzt, Symbole deutet. Für mich fühlte es sich irgendwann an wie ein Kunstfilm, der mehr über das Zuschauen erzählt als über das, was man sieht. Wer auf abstrakte, meta-orientierte Literatur steht, wird das vermutlich feiern. Ich hatte eher das Gefühl, ich arbeite mich an etwas ab, das mir am Ende nicht genug zurückgibt.

Wäre das Buch doppelt so lang gewesen, hätte ich wahrscheinlich abgebrochen. Dass ich es zu Ende gelesen habe, lag an der Kürze und daran, dass die Sprache selbst dann interessant bleibt, wenn mich die Handlung nicht mehr mitnimmt.

Mein Fazit: Sprachlich stark, konzeptionell spannend, aber für mich zu offen, zu abstrakt und zu wenig greifbar. Für Fans von experimenteller Literatur sicher ein Highlight, für mich am Ende eher anstrengend als bereichernd.