Präzise Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen

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Katie Kitamura erprobt in ihrem neuen Roman den Facettenreichtum der beiden Schlagworte Liebe und Kunst anhand der komplexen Beziehung zwischen einer berühmten Schauspielerin mittleren Alters und einem jungen Mann, der behauptet ihr Sohn zu sein. In ihrem Zusammenspiel untereinander sowie mit den engsten Bezugspersonen aus ihrem Umfeld werden mit großer Präzision die Nuancen der unterschiedlichen Beziehungen ausgelotet: familiär, partnerschaftlich, manchmal erotisch – menschlich.
Den Reiz der Erzählung macht für mich aus, dass dabei nicht nur die Grenzen zwischen Einbildung, Wunschdenken und Realität verschwimmen, sondern auch die zwischen dem Selbst und der eigenen Rolle im Leben, zwischen Performance und Authentizität. Der dichte, kühle Erzählstil der minutiös beobachtenden, alle Gefühlsregungen sezierenden, jede Reaktion interpretierenden Hauptfigur hat mich beeindruckt. Beim Lesen bleibt man gefangen in ihrer Wahrnehmung und ihrer Lesart der Personen um sie herum. Die Entwicklung des Plots sowie der Beziehungsverflechtungen ist schwer vorhersehbar – nicht zuletzt, weil auch am Ende noch viele Hinter- und Beweggründe rätselhaft bleiben.
Eine intensive Lektüre über die Komplexität menschlicher Beziehungen, die keine Antworten geben möchte.