Verwirrend gut ?

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maya.stb_ Avatar

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Der Roman Die Probe von Katie Kitamura erzählt die Geschichte einer Schauspielerin, die sich gemeinsam mit ihrem Ehemann ein scheinbar geregeltes Leben in New York aufgebaut hat. Diese Ordnung wird erschüttert, als ein junger Schauspieler namens Xavier in ihr Leben tritt und behauptet, ihr Sohn zu sein. Was zunächst wie ein klassischer psychologischer Spannungsroman beginnt, entwickelt sich bald in eine andere Richtung: Ab dem zweiten Teil weicht die Handlung deutlich vom erwarteten Verlauf ab.
Beim Lesen hatte ich stellenweise das Gefühl, der Handlung nicht ganz folgen zu können – entweder, weil manche Erzählstränge schwer greifbar waren oder weil ich mich fragte, ob ich etwas überlesen hatte. Besonders der abrupte Wechsel zur zweiten Hälfte des Buchs wirkte zunächst verwirrend und schwer einzuordnen.
Trotz dieser Irritationen bleibt Die Probe ein Roman, der durch Katie Kitamuras präzisen, klaren Stil überzeugt. Auch das reduzierte, aber stimmig gestaltete Cover fügt sich gut in das Gesamtbild ein. Die Handlung bleibt durchgehend undurchdringlich – aber genau das ist vielleicht ihre Stärke. Es ist ein Buch, das Fragen offenlässt und den Leser zum Nachdenken anregt.
Mein Leseerlebnis war ambivalent: Einerseits empfand ich die ständige Ungewissheit und das diffuse Erzählen als störend, andererseits bewundere ich die schriftstellerische Kunst, mit der Kitamura genau dieses Gefühl erzeugt – ein Gefühl von Irritation, das dennoch Emotionen auslöst und nachhallt, auch wenn man es nicht gleich deuten kann.
Die Probe ist sicherlich kein Roman für jedermann. Wer jedoch Interesse an psychologischen Feinheiten, unzuverlässigen Erzählperspektiven und offener Interpretation hat, wird hier viel Stoff zum Nachdenken finden. Besonders empfehlenswert für Leserinnen und Leser, die sich für Kunst, Identität und der menschlichen Psyche interessieren.