Japanischer Kriminalroman nach englischem Vorbild

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Kenzo Ichiyanagi ist Gelehrter und lebt mit seiner Mutter und Geschwistern in einem ehemaligen Honjin (Gasthaus, das zur Edo-Zeit hochrangigen Adeligen vorbehalten war) kleinem Dorf auf dem Land. Als er bereits vierzig Jahre ist und fast niemand in seiner Familie damit gerechnet hat, heiratet Kenzo Katsuko, eine jüngere Frau.

Das Glück währt aber nicht lange. In der Hochzeitsnacht wird Kenzo und seine Frau brutal ermordet. Die Familie, Gäste der Hochzeit und die schnell eintreffende Polizei sind ratlos. Wie konnten die beiden ermordet werden? In der Hochzeitsnacht hat es geschneit, es sind aber keine Spuren zu finden. Wie ist der Mörder in das Schlafzimmer der Jungvermählten eingedrungen und noch viel rätselhafter – wie ist der Mörder nach der Tat verschwunden?

Und welch Bedeutung haben die Tagebücher des Ermordeten? Die Polizei sieht darin den Schlüssel für den Mordfall. Es wurden Seiten aus den Tagebüchern herausgerissen und verbrannt. In einem Ofen wurden einzelne halbverbrannte Seiten gefunden. Der noch leserliche Text ist eindeutig. In einem Fotoalbum wurde auch ein Bild mit einer eindeutigen Bildunterschrift („Mein Todfeind“) gefunden.

Ginzo, der Onkel der Braut, zweifelt aber daran, dass die Polizei auf der richtigen Spur ist und ruft seinen Freund und Privatdetektiv Kosuke Kindaichi zur Hilfe. Kosuke hat spezielle Ermittlungsmethoden, aber führen diese zum Erfolg?

Fazit

Bereits nach den ersten Seiten von „Die rätselhaften Honjin-Morde“ hat mich die Geschichte und der Erzählstil von Seishi Yokomizo überzeugt. Die ca. 200 Seiten des Buchs war viel zu schnell gelesen. Bei dem Kriminalfall handelt es sich um ein Locked Room Mystery (Geheimnis des verschlossenen Raums). Also der Frage, wie der Mord geschehen konnte, da kein Mörder den Raum betreten und sich der Tote nicht selbst umbringen konnte.

Seishi Yokomizo erzählt die Handlung aus der Sicht eines Berichterstatters. Er „dokumentiert“ den Mord und die Mordermittlungen einige Zeit nachdem Ereignis aufgrund von Aussagen und Erzählungen von Bewohnern des Dorfes und den Aufzeichnungen von beteiligten Personen. Hier spürt man deutlich, dass der Autor selbst ein Fan der klassischen englischen Kriminalschriftsteller war.

Das Buch liest sich streckenweise wie die Sherlock Holmes-Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle, in denen Dr. Watson die Fälle von Sherlock Holmes aus der Sicht eines Biografen erzählt. Auch der Schreibstil lässt oft an die Autoren von klassischen englischen Kriminalromanen (z.B. Agatha Christie) erinnern. Dies ist aber kein Nachteil. Ganz im Gegenteil, Fans dieser Art von Kriminalroman kommen vollkommen auf ihre Kosten.

So interessant ein Locked Room Mystery ist, so schwierig ist für den Autor die Auflösung. Sehr oft ist die Lösung „ein den Haaren herbeigezogen“. Nicht so in „Die rätselhaften Hanjin Morde“. Aus meiner Sicht einer der besten Auflösungen eines Locked Room Mystery.

Das Cover erinnert mich an die Filmplakate von Filmen von Alfred Hitchcock – was ich sehr gelungen finde. Auch die Übersetzung von Ursula Gräfe finde ich sehr gelungen. Obwohl das Original auf Japanisch bereits 1973 erschienen ist, liest sich der Test flüssig und modern.

Am Ende des Buches gibt es ein Personenregister und ein Glossar mit den wichtigsten verwendeten japanischen Begriffen.

„Die rätselhaften Honjin-Morde“ von Seishi Yokomizo ist für mich eine Leseempfehlung. Liebhaber von klassischen Kriminalromanen haben sicher ein grosses Lesevergnügen – das wahrscheinlich mit 200 Seiten viel zu kurz ist. Hoffentlich war dies nicht der letzte Kriminalroman, der von Seishi Yokomizo ins Deutsche übersetzt wurde.