Die Reise der Amy Snow – Briefrätselreise im Stil von Jane Austen

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nicky_g Avatar

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„Wenn Gott gewollt hätte, dass wir alles wissen, hätte er die Welt nicht so rätselhaft gemacht.“ S. 82

Aurelia findet in der Nähe ihres Zuhauses ein Baby, notdürftig eingewickelt und schreiend. Siebzehn Jahre später ist aus dem Baby Amy Snow geworden. Als Aurelia viel zu früh stirbt, steht Amy alleine da und muss sich ihren eigenen Weg suchen. Zum Glück hat Aurelia vorgesorgt und schickt ihre Freundin auf eine Reise, die so manche Überraschung birgt, aber auf der sie auch wunderbare Menschen kennenlernt, so dass sie sich langsam von ihrer traurigen Kindheit verabschieden und eine eigenständige Frau werden kann.

In leisen Worten, aber eindringlich, wird einem direkt Amys Einsamkeit und der große Verlust der Freundin bewusst. Dazu trägt die Beschreibung der grausamen, rauen und kalten Umgebung bei, die sie nun auf ihrer Reise hinter sich lassen will. Aus Aurelies Brief heraus spricht die tiefe Freundschaft und ehrliche Verbundenheit zwischen den beiden Frauen. Und natürlich macht er Lust darauf, mit Amy auf Reisen zu gehen, um zu erfahren, welches letzte Spiel sich Aurelie ausgedacht hat, denn davon berichtet sie ebenso rührend wie gewitzt.

Zu Beginn habe ich mich etwas schwer getan mit dem Schreibstil, weil er teilweise wuchtig war und dem 19. Jahrhundert entsprach, aber wenn man einmal darin schwelgt, geht es wunderbar und man fühlt sich an die klassische Frauenliteratur a la Jane Austen erinnert.

Die Zeit, die hier beschrieben wird, ist eine Zeit der Umwälzung und der Industrialisierung, die ihren besonderen Reiz darin hat, dass sie aus der Sicht einer einfachen Frau vom Lande gesehen wird. Auch das Frauenbild zu Mitte des 19. Jahrhunderts wird gut dargestellt: es galt schon als verwerflich als Frau alleine zu reisen. Wie unvorstellbar!

Die Berichte aus der Vergangenheit und die Reise von Amy machen aus der Geschichte eine vielschichtige Erzählung, ein Porträt der damaligen Zeit. Die Beschreibungen sind sehr detailreich, wie man zum Beispiel schön an den Kleidern erkennen kann, die getragen werden.

Eindringlich sind vor allem die Gefühlsverwirrungen von Amy, die ihre Geschichte selber erzählt, so dass man sich gut in sie hineinversetzen kann. Aber ebenso vielschichtig und individuell „mit all ihren Eigenarten und Schwächen“ (S. 334) werden die weiteren Figuren charakterisiert, so dass ein bunter, lebendiger Roman entstanden ist.