Unreflektiertes Chaos

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throughmistymarches Avatar

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Den Hype um „Die Sache mit Rachel“ kann ich leider nicht nachvollziehen. Die Handlung wirkt oft flach und beliebig. Die Figuren waren mir entweder völlig gleichgültig oder gänzlich unsympathisch – ein Nachteil, wenn die Handlung so stark von ihren Charakteren getragen wird. Sie bleiben eindimensional und blass; es ist schwierig, sich mit ihnen zu identifizieren oder Interesse an ihrem Schicksal zu entwickeln. Besonders die titelgebende Rachel, aus deren Perspektive erzählt wird, wirkt stereotyp. Motivation für ihre Handlungen wird nie richtig rübergebracht, es fehlt Emotion und Reflexion. (Ich musste mehrmals an den Roman von Dolly Alderton denken, in dem die Protagonistin ebenfalls im wortwörtlichen Rausch umherirrt, ohne ihr Handeln zu hinterfragen. Ironischerweise wird Alderton in der Danksagung der Autorin erwähnt.)

Sehr unangenehm fand ich, dass Rachel sich ständig durch Beziehungen zu verschiedenen Männern definiert; sie zeigt eine passive Haltung und schiebt gleichzeitig anderen die Verantwortung für ihre Probleme zu. Es werden zwar mehrere wichtige Themen angesprochen, doch sie gehen in belanglosem Geplänkel unter. Besonders die finanziellen Schwierigkeiten von Rachel und ihrem besten Freund James werden zwar häufig thematisiert, ihre Probleme, einen Job zu finden und Geld zu sparen, doch gleichzeitig gehen sie mehrmals pro Woche aus, betrinken sich, kaufen Drogen. Da dies nie reflektiert wird – weder von der 21- noch von der 31-jährigen Rachel – war es für mich eine große Lücke in der Erzählung. Auch die Thematik rund um das irische Abtreibungsrecht wirkt nicht authentisch. Rachel nimmt nichts ernst, reflektiert in keinem Bereich ihres Lebens ihr Verhalten, aber dann soll ich der Autorin abnehmen, dass die Figur, so wie sie sie präsentiert, ab dem Moment ihrer ersten Periode wusste, welch großes Unrecht irischen Frauen durch das rigide Abreibungsrecht angetan wird? Nur ein weiteres sehr ernstes Thema, dem die Autorin nicht gerecht werden kann.

Insgesamt kann ich „Die Sache mit Rachel“ leider nicht empfehlen. Es bleibt der Eindruck von schwachen Charakteren und einer uninspirierten Erzählweise.