Konstruiert, widersprüchlich und langatmig

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annajo Avatar

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Ich brauche selten so lange für ein Buch wie für dieses. Diana Wagenbach steht vor den Scherben ihrer Ehe. Da flieht sie nach England zum Sterbebett ihrer Großtante, die ihr als letzten Wunsch aufträgt, das Familiengeheimnis aufzudecken. Ihre Recherchen bringen Diana bis nach Sri Lanka auf eine Teeplantage.

Soweit, so gut. Der Klappentext klingt interessant und verspricht einen schönen, exotischen Schmöker. Also ein Buch, das genau in mein Beuteschema passt. Leider habe ich mich lange Strecken über sehr über das Buch und den Plot geärgert und hätte das Buch wahrscheinlich irgendwann abgebrochen, wenn es kein Rezensionsexemplar gewesen wäre.
In meinen Augen wirkte der Plot viel zu konstruiert. Um die Geschichte voranzubringen ziehen die Protagonisten Schlüsse, die überhaupt nicht nahe liegen. Vom eigentlichen Plot her wäre die Suche ziemlich schnell erlahmt, wenn nicht immer wieder gut dosierte Hinweise auftauchen würden, die aber schon die ganze Zeit vorhanden waren. Immer wieder fragte ich mich, warum die Großtante so eine Schnitzeljagd daraus gemacht hat, anstatt sicherzustellen, dass Diana das Geheimnis auch aufdecken wird. Das war für mich völlig unlogisch. Und geht es einmal gar nicht weiter, tauchen plötzlich diverse Tagebücher auf. Auch wird krampfhaft versucht, Stimmung aufzubauen, indem immer wieder durch verschiedene Personen gemutmaßt wird, dass die Familie ein Geheimnis hat. Was ist das eigentlich für ein Geheimnis, wenn alle wissen oder vermuten, dass es existiert?
Ein Beispiel für die krampfhaft konstruierte Atmosphäre ist: "Auf einmal kam es ihr so vor, als würde jemand hinter sie treten und ihr leise die Geschichte dieses Gegenstandes ins Ohr flüstern" (S. 117).
Zudem sind die Dialoge oft hölzern, aufgesetzt, aber vor allem widersprüchlich. Dafür habe ich gleich mehrere prägnante Stellen, die mir beim Lesen aufgestoßen sind:
Diana unterhält sich mit einem Experten über indische Palmblattbibliotheken: "Und du meinst, mein Blatt ist eine Seite aus einem dieser Bücher?" [...] "Nein, meine Liebe, das hier ist etwas ganz anderes. [...] Du hast, davon bin ich überzeugt, ein Blatt aus den sagenhaften Palmblattbibliotheken gefunden [...]" (S. 138f). Oder später stellt Dianas Urgroßmutter Grace einen Angestellten zur Rede und er erwidert auf Seite 348 "[...] den Eindruck entstehen lassen, dass ich illegalen Aktivitäten nachgehe. Doch dem ist nicht so." Dann erläutert er über vier Seiten hinweg, was er da tut um schließlich auf Seite 352 zu sagen, dass es verboten ist. An einer anderen Stelle geht es um eine traditionelle Kampfkunst, in der früher gegnerische Herrscher nur ihren Champion antreten ließen. Diana bemerkt, dass dies eine gute Art sei, Konflikte zu lösen und wie viele Verluste doch dadurch in der europäischen Geschichte hätten verhindert werden können. Ihr tamilischer Bekannter erwidert daraufhin jedoch, dass das doch reichlich unfair war, wenn der "falsche" Herrscher den stärkeren Kämpfer hatte. Rechtfertigt er damit etwa Kriege mit zig Tausenden Toten?! Sind solche Kriege "fairer"? Mal davon abgesehen, dass immer noch der "Falsche" die besseren Technologien haben kann. Davon abgesehen zeigten sich noch weitere unlogische Aspekte. Der Leser beispielsweise kennt beide Zeitstränge und weiß, was in der Vergangenheit passiert ist. Die Charaktere der Gegenwart können aber in keinem Fall derartige Details wissen (und auch nicht anhand der Materialien rekonstruieren), ziehen aber automatisch die Schlüsse, die sich mit der Geschichte decken ohne andere Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen oder lose Enden zuzulassen.

Durch diese Beispiele ist sicherlich deutlich geworden, an welchen Stellen und wie sehr mich dieses Buch frustrierte. Zugegeben, der Sprachstil ist überwiegend schön und an etlichen Stellen auch sehr poetisch. Dafür zieht sich die Geschichte aber teilweise sehr zäh und jegliche Spannung wird gleich wieder zunichte gemacht. Für mich war dieses Buch leider unausgegoren, konstruiert und langatmig und somit ein ziemlich enttäuschendes Leseerlebnis.