Biografie der Familie Schnitzler

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Das Buch „Die Schnitzlers“ beschäftigt sich über mehrere Generationen mit der ungarisch-österreichisch-amerikanischen / jüdisch-christlichen Familie Schnitzler, deren bekanntester Vertreter der Autor der „Traumnovelle“ Arthur Schnitzler ist.

Das Buch beginnt mit dem Leben von Johann Schnitzler. Dieser wächst in einfachen Verhältnisses in der ungarischen Provinz auf. Er zieht nach Wien und wird ein bekannter, erfolgreicher Arzt. Seine schriftstellerischen Ambitionen lebt er kaum aus.

Bei seinem Sohn Arthur verhält es sich umgekehrt: er wird als Mediziner nicht glücklich und widmet sich schließlich ganz der Schriftstellerei. Nach Anlaufschwierigkeiten gelingt es ihm, seine Stücke auf die Bühne zu bringen.

Arthurs Sohn Heinrich schlägt ebenfalls eine Künstlerlaufbahn ein. Jedoch nicht als Dichter sondern als Theaterregisseur. Später wird er zum Bewahrer des Erbes seines Vaters.

Als Letztes werden Heinrichs noch lebende Kinder Peter, ein amerikanischer Filmemacher, und Michael, ein Orchestermusiker und Regenwaldretter, porträtiert.

Die Tragik dieser großen Künstler- und Intellektuellenfamilie ist, dass sie, obwohl sie den jüdischen Glauben nie wirklich praktiziert hat, trotzdem die Auswirkungen des Antisemitismus in Europa zu spüren bekommen hat. Johann und Arthur wurden beruflich beeinträchtigt, die Generation um Heinrich Schnitzler musste in die USA fliehen.

Was allen Schnitzlers gemein ist, ist ein Hang zu Depressionen und Affären sowie die Konflikte zwischen den jeweiligen Vätern und Söhnen. Außerdem sind sie, mit Ausnahme der aktuellen Generation, leidenschaftliche Briefe- und Tagebuchschreiber. Letzteres liefert der Nachwelt einen unermesslichen Schatz, denn erst durch diese Briefe sind Biografien wie die vorliegende möglich. Man stellt sich die Frage, was wird in Zukunft sein? Werden E-Mails, WhatsApp-Nachrichten und Eintragungen auf Facebook die Grundlage für Biografien künftiger Generationen bilden? Auch die Enkel von Arthur Schnitzler haben sich den modernen Zeiten angepasst: keine Briefe fliegen hin und her, man „skyped“.

Zu Beginn des Buches war ich mir unsicher, ob es vielleicht zu schwere Kost sein könnte. Aber weit gefehlt, spätestens ab den Kapiteln um Arthur Schnitzler wurde ich durch die aufregende Familiengeschichte der Schnitzlers mitgerissen. Auch die amourösen Verwicklungen tragen zur Unterhaltung bei. Ab dem Aufkommen des Nationalsozialismus fiebert man unweigerlich mit, ob es alle Familienmitglieder schaffen, zu entkommen.

Was ich etwas vermisst habe, sind mehr Referenzen zu den literarischen Werken von Arthur Schnitzler (z.B. Auszüge aus seinen Stücken oder ausführlichere Zusammenfassungen). Man erfährt viel über den Menschen Arthur Schnitzler aber wenig über sein Werk.

Zusammenfassend gesagt, eine spannende Biografie, die viele Einblicke in die europäische Geschichte liefert und einen mit der Hoffnung zurück lässt, dass nie wieder solch dunkle Zeiten auf uns zukommen.