Die Schnitzlers - gar nicht so ungewöhnlich!?

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laberlili Avatar

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Arthur Schnitzler war mir als Autor durchaus längst ein Begriff, auch den Namen des Arztes Johann Schnitzler hatte ich schon einmal vernommen, aber erst durch die Biografie "Die Schnitzlers - Eine Familiengeschichte" erfuhr ich, dass es sich hierbei tatsächlich um Vater und Sohn handelte.
"Die Schnitzlers - Eine Familiengeschichte": dieser Titel suggerierte mir, dass es hier noch mehr erwähnenswerte Namen als nur die von Johann und Arthur geben würde und ließ mich spontan an die Familie Mann denken, doch der Titel führte mich in die Irre.

Offensichtlich haben tatsächlich Johann und Arthur ihren Nachnamen berühmt gemacht, während ihre Anverwandten und auch ihre Nachfahren mehr oder minder nur in ihrem Fahrwasser schwimmen durften. Die einzige für mich abseits dieser beiden Herren interessante Person war Arthur Schnitzlers Ehefrau Olga, die es aber auch nicht schaffte, als sie selbst zu bestehen und ohne den angeheirateten Nachnamen betrachtet zu werden. Weiterhin blieb auch sie hier eher Randfigur, die Frau, die Arthur Schnitzlers Kinder gebar.
Häufig dachte ich aber beim Lesen darüber nach, warum Johann und Arthur keine eigenen Biografien erstellt bekommen haben, sondern auch (Ur)Enkel zum Thema gemacht wurden ohne dass verraten wurde, inwiefern sich das medizinische und literarische Erbe der berühmten Ahnen bis zu ihnen durchgesetzt hat. Nichtsdestotrotz wurde die Familie Schnitzler wiederholt als Künstlerfamilie dargestellt, aber ich fragte mich doch, wie viele Künstler noch in der heutigen Familie Schnitzler stecken.

Allzu auffällig oder extravagant empfand ich die Historie der Schnitzlers nun nicht; mir ist immer noch unklar, wieso man ihnen biografisch eine "Familiengeschichte" zugestehen wollte und wieso man über die Generation von Arthurs Kindern hinausgegangen ist, obschon die weiteren Nachfahren hauptsächlich als Lieferanten von Quellenmaterial dienten und weniger als direkte Bestandteile der "Familiengeschichte".

Insgesamt erweckte die Biografie in mir aber den Eindruck als würde sie auch Kennern von Johann und Arthur Schnitzler nicht viel Neues verraten. Zudem beschränkt sie sich vornehmlich auf die privaten Existenzen und nicht die Schaffenswerke, so dass man sich auch fragen muss, ob für Mediziner tatsächlich Anlass besteht, sich von Johanns privaten Scharmützeln inspirieren lassen zu wollen und ob Autoren aus Arthurs Weiberheldentum Erkenntnisse ziehen können. Gemeinhin überlegte ich aber häufig: "Ist dies interessant?" Nun für mich war es das weniger; ich habe nun auch nicht den Eindruck, etwas "besonderes" Neues erfahren oder gar etwas gelernt zu haben.
Zudem habe ich das Gefühl, dass wer mit dem Namen "Schnitzler" gar nichts anzufangen weiß, trotz der Genauigkeit in der Biografie nach deren Lesen immer noch nicht so recht etwas mit "Schnitzler" anzufangen weiß, denn beispielsweise bezogen auf Arthur wird doch recht klar erwartet, dass man mit seinen Werken zumindest halbwegs vertraut ist, wenigstens weiß, in welche Richtungen seine Schreibarbeiten zeigten.
Wer gänzlich Schnitzler-unerfahren ist, sollte vor dem Lesen der Jacobi-Biografie also unbedingt erst einen Blick ins Lexikon bzw.ins Wiki werfen!

Ich muss allerdings zugeben, dass mir rein technisch gesehen die Biografie sehr gut gefallen hat: So findet sich eingangs eine Stammtafel, die verhindert, dass man sich im Namensgewirr verliert, wobei die rein chronologische Erzählweise und die genauen Charakterstudien es mir ohnehin unmöglich machten, durcheinander zu geraten.
Die Biografie ist logisch unterteilt, in sehr viele kleine "Lesehäppchen", die man sich Stück für Stück zu Gemüte führen kann ohne dass sich der Verstand in den erzählten Strängen verheddert.
Auch die Recherchearbeit ist äußerst gründlich erfolgt und auf wilde Spekulationen wird verzichtet.
Insgesamt empfinde ich die Biografie als Vertreterin ihres Genres durchaus hervorragend gemacht, aber ich finde das Subjekt, die Familie Schnitzler als solche, eben nicht allzu biografiewürdig. Von daher würde ich denen, die extrem an Schnitzler, ob nun Johann oder Arthur, interessiert sind, durchaus empfehlen, hier mal einen Blick hineinzuwerfen (ohne sich zu viel davon zu versprechen), aber für alle Anderen ist meiner Meinung nach der Blick ins genannte Lexikon wohl durchaus ausreichend.