Das Verborgene in uns

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emmmbeee Avatar

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In die kleine Familie von Claire und Gilles tritt eine neue Person: die Freundin ihres Sohnes Nicolas. Die beiden Frauen kennen sich bereits von einer kurzen Begegnung, doch halten sie es sorgfältig unter Verschluss. Nun soll es für mehrere Urlaubswochen gemeinsam an die bretonische Atlantikküste gehen. Das wird nicht ohne Konflikte bleiben.
Gleich zu Beginn des Romans werden etliche Fragilitäten deutlich: Claires Ehe steht auf tönernen, weil ausgeleierten Füssen; Gilles ist von ihr wirtschaftlich abhängig und beruflich keineswegs gefestigt; Nicolas weiss nicht so recht, wie er mit der 19-jährigen, aber dennoch erfahreneren Julie umgehen soll; und Julie selbst befindet sich in einer existenziellen Unsicherheit, soll längere Zeit am Atlantik verbringen und kann nicht schwimmen.
Nach der Reihe tauchen sie auf, die Fragen: Wer hätte ich sein können? Wie soll ich als junge Erwachsene mit der neuen Eigenverantwortung umgehen? Wie erlange ich den Mut, mein Talent der Öffentlichkeit zu zeigen? Was bedeutet Freiheit für mich? Welches ist mein wahres Gesicht? Die beiden Frauen werden von diesen Gedanken umgetrieben, die Männer spielen eher Nebenrollen.
Immer wieder fällt auch der Hinweis auf Fossiles, auf reelle Versteinerungen, (in meinen Augen unnötig) deutlich wird auf inneres Hartwerden hingewiesen. Doch bevor nicht jede sich selbst erkannt und zugelassen hat, kann kein belebendes Feuer in ihnen entstehen und die Schale allzu grosser Vorsicht aufbrechen. Das ganze Werk schreit: Nutze deine Möglichkeiten und dein Leben!
Mir gefallen beide Frauenfiguren, weil sie suchen und streben, Ängste haben, im Gewohnten gefangen sind und doch den Schritt aus dem Kreis herauswagen wollen.
Nina George führt bei aller Spannung eine sehr poetische Sprache, die in Metaphern nur so schwelgt. Einzelne Sätze fallen fast aus dem Erzählfluss, und an manchen Stellen kommt es mir vor, als sei der Schreibtischvorrat nach markanten Aussagen durchforstet und danach im Übermass genutzt worden.
"Die Schönheit der Nacht" ist eins von den Büchern, die man schwer empfehlen kann, denn es wird die Leserschaft teilen: Die einen können sich seinem Sog nicht entziehen, andere wiederum werden z.B. einen gewissen Überschwang an Bildern und Gefühlen nicht so goutieren. Aber: so viele Leser – so viele Geschmäcker, und das ist gut so.