Die ,Werdende‘ und die ,Gewordene‘

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Clarie ist vierundvierzig Jahre alt und wohnt mit ihrem Mann, Gilles, und ihrem Sohn, Nicolas, in Paris. Claire ist Verhaltensbiologin. Sie liest „in Gang und Körperhaltung, Gesicht und Gesten“, sie registriert „Angespanntheit und Furcht [...], Gedankenlosigkeit und die vielen leisen Wünsche, betrachtet oder übersehen, begehrt oder beneidet zu werden“. Julie, die erste ernste Freundin ihres Sohnes, ist neunzehn Jahre alt und hadert in allen Lebensfragen noch mit sich selbst. Der Sommer an der Küste der Bretagne verwebt die ,Gewordene‘ und die ,Werdende‘ auf schicksalhafte Weise miteinander, die auch die Leben von Gilles und Nicolas verändern.

Die eingestreuten französischen Wörter, die wohl auch jeder, der kein Französisch spricht, verstehen wird, verleihen dem Roman ein gewisses Flair für die ,französische Lebensart‛ – verstärkt durch die sehr ansprechend beschriebenen Örtlichkeiten der Bretagne. Welche Funktion die eher despektierlichen Kommentare zu Macron und seiner Frau haben, die die Autorin den Figuren in den Mund legt, bleibt mir jedoch schleierhaft.

Ein Buch für Menschen, die sich für Psychologie interessieren, die gerne bei existentiellen Fragen verweilen und sich nicht davor scheuen, in ein fremdes Innenleben einzutauchen, um möglicherweise dadurch zu Erkenntnissen über sich selbst zu gelangen. Ein Werk „über das Leben und Werden als Frau, über Weiblichkeit, Sexualität, über Lust und die Veränderungen der Liebe, der Ehe, der Seele. Des Körpers. Der Träume.‟ In einer sehr bildlichen und metaphernreichen Sprache. Persönlich hat mich das Buch allerdings nicht sonderlich angesprochen, da ich mich des Eindrucks nicht verwehren konnte, dass der Roman mehr oder weniger lediglich das Thema der Sexualität umkreist: Hat man ein erfülltes Sexualleben, dann fügen sich auch alle anderen Lebensebenen zu einem harmonischen Ganzen.

Den ganzen Roman über habe ich erwartet, dass die Selbstfindungsversuche der beiden Frauen auf ein tiefgründiges, großes Finale hinauslaufen würden. Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass dieses 'große Finale' in einem schlichten Beischlaf der beiden bestehen würde.

Fazit: Eine sehr dichte Sprache, hinter der sich viel zu wenig verbirgt!