Erwachsenwerden im Patriarchat: Eine tiefgründige Erzählung über weibliche Identität

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
xxholidayxx Avatar

Von

„Die schönste Version“ von Ruth-Maria Thomas ist ein eindringlicher Roman, der sich mit der Reise einer Frau durch ihre eigene Vergangenheit bis hin zur Gegenwart auseinandersetzt und die die Herausforderungen und Abgründe des Frau-Seins im Patriarchat eindringlich darstellt. Ruth-Maria Thomas, geboren 1993 in Cottbus und als Sozialarbeiterin sowie Literaturautorin bekannt, beleuchtet in diesem Werk zentrale Themen wie toxische Beziehungen, Gewalt und weibliche Sozialisation. Ihre Erfahrung als Mitgründerin des erotischen Literaturmagazins „Hot Topic!“ und ihre Arbeit im Rundfunk fließen in die kraftvolle und emotional aufgeladene Erzählung des Romans ein.

Um was geht's?

Das Buch spielt in der ostdeutschen Kleinstadt der späten Nullerjahre und frühen 2010er Jahre und folgt der Ich-Erzählerin Jella. Rückblickend auf ihr Leben, beginnt Jella, die gegenwärtig aus einer toxischen Beziehung flieht, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Durch die Erzählung ihrer Jugend und den Umgang mit sexuellen (Gewalt-)Erfahrungen und toxischen Glaubenssätzen, offenbart sie eine tiefe und oft schmerzhafte Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität und dem Frau-Sein im Patriarchat. Die Erinnerungen an ihre ersten Beziehungen und die Gewalt, die sie erfahren hat, werfen ein Licht auf die Fallstricke weiblicher Sozialisation und den Weg von der ersten großen Liebe bis hin zur Selbstreflexion und Heilung.

Meine Meinung

„Die schönste Version“ ist ein Buch, das mich sowohl emotional als auch intellektuell tief bewegt hat. Die Autorin weiß, wie man die Komplexität des Frau-Seins und der persönlichen Entwicklung eindrucksvoll zu Papier bringen kann. Durch eine direkte und oft vulgäre Sprache gelingt es, die Intensität von Jellas Gefühlswelt spürbar zu machen. Während manch andere den Schreibstil möglicherweise als zu direkt empfinden könnten, fand ich ihn gerade passend, um die rohe Realität von Jellas Erfahrungen darzustellen. Die brutale Ehrlichkeit, mit der das Thema sexuelle Gewalt und toxische Beziehungen behandelt wird, ist eine Stärke des Buches, da man sich intensiv mit diesen wichtigen Themen auseinandersetzen MUSS.

Die feministische Perspektive, die Ruth-Maria Thomas in ihren Roman einbringt, ist auf jeden Fall aufrüttelnd. Teilweise hatte ich das Gefühl manchen Szenen wollte die Autorin explizit feministisch aufladen, was für mich nicht ganz so gut gelungen ist. Dennoch bleibt die Darstellung der Gewalt und der psychologischen Effekte glaubwürdig und eindrucksvoll.

Fazit

Insgesamt habe ich „Die schönste Version“ als eines der besten Bücher des Jahres empfunden, das zwar nicht ohne Schwächen ist, aber in seiner Gesamtheit eine außergewöhnliche und notwendige Lektüre darstellt. Die Auseinandersetzung mit Gewalt und Machtstrukturen ist so prägnant und klar, dass es sich wie ein Sachbuch ohne den sachlichen Ansatz anfühlt. Deshalb vergebe ich dem Buch 5 von 5 Sternen. Eine ganz klare Leseempfehlung und für mich jetzt schon ein Jahreshighlight.