Reflexion einer toxischen Beziehung
Es beginnt eigentlich so schön - ein heißer Sommer, Jella und Yannick, “J & Y” - unbeschwert und sehr verliebt. Doch dann findet sich die Ich-Erzählerin Jella auf einer Polizeiwache wieder, nachdem sie gewürgt und geschlagen, ein Opfer häuslicher Gewalt wurde. Doch wie konnte es zu diesem Bruch kommen? Zurück bei ihrem genügsamen Vater, in ihrem alten Kinderzimmer, begibt sich Jella auf Spurensuche und nimmt uns Leser mit in ihre Vergangenheit, in die Kindheit und Jugend in den Nullerjahren. In den kommenden elf Tagen reflektiert sie ihr Leben und versucht, wieder klar zu sehen. Als Jella fünf ist, muss die Familie ihr vertrautes Heimatdorf verlassen und zieht in eine Plattenbausiedlung einer Kleinstadt. Jellas Mutter reicht dieser Neuanfang nicht – es ist ihr schnell nicht städtisch genug und so verlässt sie Kind und Mann und zieht auf der Suche nach mehr Glamour nach Berlin. Jellas Entwicklung ist die Suche nach einem Ideal. Wer will sie sein, wie will sie aussehen und vor allem von anderen gesehen werden? Wie ihr Vorbild Valentina, eine beliebte und gute Schülerin aus gutsituiertem Elternhaus, wie ihre beste Freundin Shelly, mit der sie sexy, cool, begehrenswert wird? Oder doch die ehrgeizige, intelligente und attraktive Studentin? Die Autorin beschreibt Jellas Anstrengungen, die “schönste Version” ihrer selbst zu werden, absolut intensiv, intim und schonungslos ehrlich und direkt. Jellas Bemühungen nach Akzeptanz und Zugehörigkeit, das Verfolgen von Schönheitsidealen, das Suchen nach der leinwandtauglichen großen Liebe und das Aufgeben der eigenen Identität und Bedürfnisse, um die zu sein, die die Männer in ihrem Umfeld sich wünschen und einfach nehmen. In Yannick findet sie schließlich ihren vermeintlichen Traummann, der sie aber auch nur kontrolliert und sie weiterhin daran hindert, ihre eigene Persönlichkeit zu entfalten und ihr jeglichen Freiraum nimmt – bis die Beziehung kippt und eskaliert. Der Roman liest sich wie im Rausch und ist ein absolut empfehlenswertes Leseerlebnis über toxische Beziehungen, Misogynie und Missbrauch, aber auch über das Aufwachsen in der ostdeutschen Provinz.