Wie konnte es so weit kommen?

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alicii Avatar

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Die schönste Version ihrer selbst wollte Jella für Yannick sein, die Jugend in der Platte hinter sich lassen, nicht mehr an ihre vergangenen Beziehungen und früheren Freundschaften denken, nur noch an eine gemeinsame Zukunft mit Yannick in ihrer gemeinsamen Wohnung im Stadtzentrum - sie wollte die Version sein, die Yannick lieben, die er begehren würde, die am besten zu ihm passen würde. Zu Yannick, den sie so sehr liebt.
Auch Yannick zeigt zu Beginn der Beziehung nicht seine komplette Persönlichkeit, zeigt die sanfte und sensible Seite, den Künstler, unterdrückt den Schmerz und die Wut, die er manchmal fühlt.

Es ist schwer, eine intakte und gesunde Beziehung zu führen, wenn man nicht komplett ehrlich ist, wenn man sich nicht komplett öffnen kann oder möchte, wenn man sich am Ende selbst nicht mehr wiedererkennt. Und so scheitert auch die Beziehung von Jella und Yannick, eskaliert in einem Streit, einer gewalttätigen Auseinandersetzung, am Ende findet Jella sich erst auf dem Polizeirevier, dann in ihrem Kinderzimmer in der Wohnung ihres Vaters wieder. Dort beginnt die Spurensuche in ihrer Vergangenheit, der lange Prozess der Verarbeitung und der Weg von "der Beziehung eine weitere Chance geben" zu "es ist genug".

Ruth-Maria Thomas hat einen starken Roman über ein komplexes Thema geschrieben. Ein Roman, der durch seine Sprache besticht, der schonungslos das Scheitern dieser nach außen so perfekten Beziehung seziert. Die Handlung erhält Tiefe durch die Einblicke in Jellas Jugend, ihr Heranwachsen in den 2000ern in einer ostdeutschen Kleinstadt, ihre ersten Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht, ihre so grundverschiedenen Eltern - all das mit einem Auge für die Details.
Es zeigt sich, welche Kraft Frauen-Freundschaften haben können, gerade in einer solchen Situation.

Ein beeindruckendes Debüt!