Anspruchsvoll, symbolisch, nicht leicht zugänglich

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📖 Inhalt (spoilerfrei): Ein Junge entdeckt eine Leiche im Eis und und mit diesem verstörenden Fund beginnt eine Geschichte über ein schweigendes Erbe, NS-Spuren, alte Drache-Legenden und Familiendrama.

🖋️ Erzählweise & -struktur: die Geschichte wird in parallel verlaufende Erzählsträngen fragmentarisch aufgebaut, dabei wird in viele kurze Kapiteln aus unterschiedliche Perspektiven erzählt. Aus anfänglicher Zusammenhanglosigkeit wird später ein komplexes Gefüge, das sprachlich distanziert, bildgewaltig und surreal wiedergegeben wird. Stilistisch erinnert mich das Werk stark an Daniel Kehlmann, der ebenso bildlich eindrücklich und verwoben schreibt. Die wörtliche Rede ohne Anführungszeichen hat mich ein wenig rausgebracht, viele Passagen fand ich sperrig und überflüssig, gleichzeitig tragen sie zur unangenehmen Atmosphäre bei. Fast schon psychedelisch wirken manche Absätze; überfrachtet mit Adjektiven, ungewohnt personifiziert. Ähnlich wie bei Kehlmann schafft Clavadetscher es, Ekel nicht plakativ, sondern ästhetisch unangenehm darzustellen.

👥 Charaktere: Alle Figuren sind über rätselhafte Verbindungen miteinander verwoben, dabei ist eine undurchsichtiger als die nächste, niemand wirklich greifbar, und die Bedeutung dessen, was geschieht, bleibt oft in Andeutungen hängen. Es ist schwer, sich mit ihnen zu identifizieren oder Nähe aufzubauen. Zwei Ausnahmen gab es für mich: Boll und Rosa. Beide wirken wie Freigeister, bringen Leichtigkeit, Spiel und sogar eine gewisse Lebensfreude in die düstere Szenerie.

💡 Kurz und Knapp: Viele Elemente, die die Handlung antreiben, werden selbst nicht zentral erklärt. Schon fast ironisch wirkt es, dass die Autorin einer Figur den Namen McGuffin gibt, laut Wikipedia ein durch Hitchcock geprägter Begriff, der dazu dienen soll, „[…] die Handlung auszulösen oder voranzutreiben, ohne während der Handlung selbst von besonderem Nutzen zu sein.“ Für mich persönlich war es leider zu wenig zugänglich, um mich wirklich abzuholen.