Ein Buch der Extraklasse! Poetisch unfassbar gut!

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regina1960 Avatar

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Dieser gut 330 Seiten umfassende, neue Roman von Martina Clavadetscher „Die Schrecken der Anderen“ , ist ein ganz besonderer, und verdient in meinen Augen die Bewertung „Extraklasse“. Ich wußte nicht, was mich erwartet, kannte die Buchautorin nicht, war aber aufgerüttelt durch das grausam anmutende Buchcover mit einer Katze, die mit ihrer gewaltigen Pranke nach einem toten Huhn schlägt. Vor Beginn der Lektüre stellte ich mir die Frage, was die Autorin damit wohl bezweckt haben möge, im Nachhinein hat sie das dann an einer Stelle des Buches für mich beantwortet … ich hatte sozusagen das „Aha-Erlebnis“. Den Schreibstil von Martina Clavadetscher empfand ich als besonders, mitreißend, präzise, raffiniert, und dermaßen ausdrucksstark, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen mochte. Sie beschreibt ungemein detailgetreu und treffsicher, gleichzeitig poetisch und für die Botschaft des Buches mit der nötigen Kühle und Finesse. Dabei bedient sie sich zahlreicher Zeilenumbrüche und Abstände, die für mich das Lesen sehr angenehm gestalteten. Clavadetscher verknüpft geschickt die vielschichtig verwobene Geschichte mit den einzelnen Charakteren und jeweiligen Ereignissen, die zunächst noch völlig zusammenhanglos erscheinen. Unterschwellig brodelt jedoch von Anfang an immer etwas Düsteres und Unheilvolles mit – „alles“ beginnt ja auch mit einem Toten unter einer gefrorenen Eisschicht eines Sees. Ein zurückgezogen lebender Archivar, der unter einer Angststörung leidet, kommt dann hinzu, der gemeinsam mit einer geheimnisvollen „Alte“ in der Sache Nachforschungen anstellt…und so kommen häppchenweise immer weitere Akteure mit ihren Einzelschicksalen hinzu. Alle haben erstmal nichts miteinander zu tun. Doch die Fragmente fügen sich – wie Puzzleteile – immer mehr zusammen, die Botschaft dieses Romans erfährt immer mehr an Klarheit, und am Ende wird sie in einem dramatisch aufgeladenen Finale dann für den Leser unmißverständlich sichtbar. Hier geht es um einen barbarischen Teil der Geschichte, der Gesellschaft, eine Wahrheit, die jeder kennt, unter dem Mantel der Verschwiegenheit lodert, bis sie Stückchen für Stückchen ans Tageslicht geholt wird. Im Roman geht es um die Zeit des Nationalsozialismus, versteckte, geraubte Reichtümer der Nazis in der Schweiz, schweigende Mitwisser, scheinheilige Bewohner, Mitläufer. Ich fand´ das Buch faszinierend und besonders. Einzig zum Schluss hin war es mir einen Touch zu melodramatisch, für mich hätte es das Ableben zweier Protagonisten nicht unbedingt gebraucht, aber das ist ja Geschmacksache. Kleiner Kritikpunkt, aber dafür kann die Autorin nichts, sind doch einige Rechtschreib- und Satzfehler, die beim Lektorat wohl übersehen wurden. Das Buch kann ich dennoch uneingeschränkt weiterempfehlen, sprachlich wie stilistisch ist es schon etwas ganz Besonders, dieser Schreibstil von Martina Clavadetscher hat hohen Wiedererkennungswert. Gleichzeitig war es für mich eine Mahnung, über das „Schrecken der Anderen“ nicht zu hinwegzusehen, denn was in der Vergangenheit war, schlummert auch ebenso verborgen in der Gegenwart.