ein sehr besonderes Buch über kontinuierlichen Widerstand
„Das Aufdecken der Geschichte ist eines. Hinschauen, ein zweites. Aber wir wissen alle, das Schwierigste ist ein Drittes, und zwar daraus zu lernen und entsprechend zu handeln.“
Zunächst war es eine Coverliebe. Dann der Klappentext. Dann die gemischten Reaktionen anderer Blogger:innen. Worauf lasse ich mich hier ein? Martina Clavadetschers „Die Schrecken der Anderen“ ist kein Buch, was sich schnell nebenher lesen lässt. Ein zurückgezogener Archivar stößt im gefrorenen Bergsee auf eine mysteriöse Leiche – und wird dabei von einer rätselhaften, schrulligen Alten in einem Wohnwagen beobachtet. Hinter der anfänglich losen Aneinanderreihung von Erzählsträngen verbergen sich jahrzehntelange Verschwörungen, in deren Zentrum ein reicher Geschäftsmann namens Kern, seine jüngere Frau und dessen fast hundertjährige Mutter stehen, die alle auf ihre Weise in familiäre und politische Intrigen verstrickt sind.
Zu Beginn habe ich mich richtig mühsam durch die ersten Kapitel gekämpft – in dieses ruhige Lesetempo und die Syntax musste mich erstmal einlesen! Die Autorin gönnt sich üppige, verschachtelte Sätze, die sich gerne mal über eine Seite hinwegziehen und damit ganz bewusst ein anderes Leseerlebnis schaffen als den „Ich-muss-jetzt-ein-Kapitel-verschlingen“-Modus vieler anderer aktueller Bücher. Ehrlich gesagt: Ich habe eine kleine Ewigkeit gebraucht, um in diesen Rhythmus hineinzufinden.
Nach ca. einem Drittel (und einer gehörigen Portion Frustration) passierte dann etwas Faszinierendes: Die Perspektiven verknüpften sich, die mysteriöse „Alte“ trat deutlicher hervor und offenbarte nicht nur ihren schrulligen Charme, sondern auch einen messerscharfen Verstand. Diese hundertjährige skeletthafte Matriarchin, die den Großteil des Tages im Dachgeschoss-Bett verbringt und dennoch so einige Fäden in der knochigen Hand hält, ist für mich die gruseligste Figur des Buches! Da treffen zwei alte Frauen von ganz verschiedenen Weltanschauungen aufeinander!
Ganz anders verhält es sich mit Schibig, der eigentlich als Hauptfigur eingeführt wird, aber mehr als ruhender Pol fungiert denn als sich entwickelnde Person. Parallel erzeugt das irre Drama um alte Nazi-Konten ganz realen, aktuellen Grusel. Dieses Nebeneinander von poetischer Ruhe und beklemmender Gegenwartsanalyse hat bei mir eine sehr ungewöhnliche Spannung hinterlassen.
Unterm Strich ist „Die Schrecken der Anderen“ ein mutiges Buch: Es mischt historische Fakten mit Fiktion, warnt eindringlich vor dem kollektiven Verdrängen (Stichwort: Schweizer Vergangenheit während der NS-Zeit) und öffnet einen unerwarteten Blick auf die Verantwortung der Nachgeborenen. Dass ich dafür erst einmal „warm werden“ musste – geschenkt! Wer sich auf diese ungewöhnliche Erzählweise einlässt, wird reich belohnt: mit einer schrullig-skurrilen Heldin, einem echten Schauer über die Realität und dem Bewusstsein, dass Vergessen bequemer, aber gefährlich ist. Meine vier Sterne gelten dem Mut zur Langsamkeit, der feinen literarischen Hand und eben jener Alten, die hier alles zusammenhält.
Zunächst war es eine Coverliebe. Dann der Klappentext. Dann die gemischten Reaktionen anderer Blogger:innen. Worauf lasse ich mich hier ein? Martina Clavadetschers „Die Schrecken der Anderen“ ist kein Buch, was sich schnell nebenher lesen lässt. Ein zurückgezogener Archivar stößt im gefrorenen Bergsee auf eine mysteriöse Leiche – und wird dabei von einer rätselhaften, schrulligen Alten in einem Wohnwagen beobachtet. Hinter der anfänglich losen Aneinanderreihung von Erzählsträngen verbergen sich jahrzehntelange Verschwörungen, in deren Zentrum ein reicher Geschäftsmann namens Kern, seine jüngere Frau und dessen fast hundertjährige Mutter stehen, die alle auf ihre Weise in familiäre und politische Intrigen verstrickt sind.
Zu Beginn habe ich mich richtig mühsam durch die ersten Kapitel gekämpft – in dieses ruhige Lesetempo und die Syntax musste mich erstmal einlesen! Die Autorin gönnt sich üppige, verschachtelte Sätze, die sich gerne mal über eine Seite hinwegziehen und damit ganz bewusst ein anderes Leseerlebnis schaffen als den „Ich-muss-jetzt-ein-Kapitel-verschlingen“-Modus vieler anderer aktueller Bücher. Ehrlich gesagt: Ich habe eine kleine Ewigkeit gebraucht, um in diesen Rhythmus hineinzufinden.
Nach ca. einem Drittel (und einer gehörigen Portion Frustration) passierte dann etwas Faszinierendes: Die Perspektiven verknüpften sich, die mysteriöse „Alte“ trat deutlicher hervor und offenbarte nicht nur ihren schrulligen Charme, sondern auch einen messerscharfen Verstand. Diese hundertjährige skeletthafte Matriarchin, die den Großteil des Tages im Dachgeschoss-Bett verbringt und dennoch so einige Fäden in der knochigen Hand hält, ist für mich die gruseligste Figur des Buches! Da treffen zwei alte Frauen von ganz verschiedenen Weltanschauungen aufeinander!
Ganz anders verhält es sich mit Schibig, der eigentlich als Hauptfigur eingeführt wird, aber mehr als ruhender Pol fungiert denn als sich entwickelnde Person. Parallel erzeugt das irre Drama um alte Nazi-Konten ganz realen, aktuellen Grusel. Dieses Nebeneinander von poetischer Ruhe und beklemmender Gegenwartsanalyse hat bei mir eine sehr ungewöhnliche Spannung hinterlassen.
Unterm Strich ist „Die Schrecken der Anderen“ ein mutiges Buch: Es mischt historische Fakten mit Fiktion, warnt eindringlich vor dem kollektiven Verdrängen (Stichwort: Schweizer Vergangenheit während der NS-Zeit) und öffnet einen unerwarteten Blick auf die Verantwortung der Nachgeborenen. Dass ich dafür erst einmal „warm werden“ musste – geschenkt! Wer sich auf diese ungewöhnliche Erzählweise einlässt, wird reich belohnt: mit einer schrullig-skurrilen Heldin, einem echten Schauer über die Realität und dem Bewusstsein, dass Vergessen bequemer, aber gefährlich ist. Meine vier Sterne gelten dem Mut zur Langsamkeit, der feinen literarischen Hand und eben jener Alten, die hier alles zusammenhält.