Ein starker Roman
Ein starker Roman mit einer faszinierenden bildhaften Sprache, der mich von Beginn an in den Bann gezogen hat. Er spielt in der Schweiz, wobei es die geographischen Bezeichnungen nicht wirklich gibt, er könnte sich überall im deutschsprachigen Teil der Schweiz abspielen. In einzelnen Kapiteln stellt die Autorin Martina Clavadetscher zunächst die Personen vor, die teilweise skurril wirken und handeln. Im Eis eines zugefrorenen Sees wird ein Toter gefunden, wodurch die Handlung in Gang gesetzt wird. Dessen Name McGuffin hat symbolische Bedeutung, er wurde in den Filmen Hitchcocks als Gimmick benutzt. Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wird, dass alles miteinander verbunden ist, wird erst spät klar, was die reiche Familie Kern mit dem Toten zu tun hat. Da ist die fast hundertjährige Mutter, die mit einem Bein im Jenseits steht, mit dem anderen im Vorgestern und die eine Metapher für das Ewiggestrige ist. Sohn und Schwiegertochter werden von ihr tyrannisiert und dominiert. Sie wünschen sich vergeblich ein Kind oder besser, die alte Frau wünscht sich einen Enkel. Herr Kern, ein trotz seiner sozialen Stellung unsicherer Mann mit symbolischen „Sehstörungen“, ist Mitglied in einer obskuren Vereinigung von Honoratioren. Der Archivar Schibbig, die meistens als „die Alte“ bezeichnete merkwürdig erscheinende Rosa und ein „Herr Boll“ beobachten die Geschehnisse wie z.B. das Verhalten von Jugendlichen, Mitglieder einer Bande. Mystische Fabeln von Drachen wirken verstörend. Alles wird abwechselnd mit stakkatoartigen kurzen Sätzen, dann wieder langen Aufzählungen und ruhigen Passagen erzählt. Lange bleibt unklar, ob die Handlung absurd ist und wie alles miteinander verbunden ist. Doch dann werden die Zusammenhänge aufgelöst. Es gibt einen sehr realen aktuellen Hintergrund und die Geschichte nimmt zum dramatischen Ende hin Fahrt auf. Der dezente Humor, die symbolhafte Sprache, im zweiten Teil auch spannende Handlung machen das Buch sehr lesenswert.