Poetische Erzählung vom sicheren Absturz
In ihrem Roman „Die Schrecken der anderen“ entfaltet Martina Clavadetscher in 35 Kapiteln eine Erzählung um Verdrängtes, das sich den Weg in die Gegenwart bahnt. Metaphorisch findet das schon in der Anfangsszene seinen Ausdruck, wenn ein Junge über ein Stoffstück im Eis stolpert, dass sich auf den zweiten Blick als Teil einer im Eis eingefrorenen Leiche erweist. Die symbolhafte Bildsprache des Romans entfaltet eine Sogwirkung, die an unsere Gefühle rührt und uns immer tiefer in die Geschichte eintauchen lässt. Kapitelweise wird aus der Perspektive zweier unterschiedlicher Protagonisten erzählt. Da ist zunächst Schibig, Archivar mit Angststörung, der dem Polizistenbruder der Exfreundin unwillig einen Gefallen tut. Dann erscheint Kern, reicher Erbe mit Wohnsitz in der Villa seiner pflegebedürftigen Mutter und verheiratet mit Hanna. Er kämpft mit Sehstörungen und Ansprüchen, denen er sich von allen Seiten ausgesetzt fühlt. Zunächst scheinen die zwei Erzählstränge zusammenhanglos, doch nach und nach fügen sich die Puzzlestücke zusammen und enthüllen die raffiniert erzählte Geschichte um Naziverbrechen und rechte Gewalt. Eine glasklare und zugleich poetische Sprache lässt Bilder vor unserem inneren Auge entstehen, die immer auch eine starke Symbolkraft besitzen. So entsteht, verwoben mit der Handlung, ein Psychogramm der Figuren, die uns alle schon begegnet zu sein scheinen.