Viele Wahrheiten und viele Mäntel des Schweigens
Das Cover hat mich direkt erwischt. Mit seiner ungewöhnlichen Szenerie im Stil eines klassischen Gemäldes hebt es sich deutlich von den Covern der aktuellen Bücher ab. Von der Autorin hatte ich noch nie gehört, aber sie wird mir jetzt nach der Lektüre definitiv im Gedächtnis bleiben. Zum einen ist ihr Schreibstil schon ungewöhnlich, denn sie benutzt zum Beispiel Gedankenstriche anstatt Anführungszeichen bei wörtlicher Rede. Und diese selber ist selten direkt, eher poetisch, manchmal kryptisch. Deswegen ist es trotz des Umfangs von 332 Seiten nicht schnell runter zu lesen, was dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch tut. Wer aufmerksam liest wird dafür mit feinen Beschreibungen und Gedanken belohnt, die mal sehr komisch, mal bedrückend und mal so großartig sind, dass man sich fragt, wieso man nicht eher sowas schon mal gelesen hat. Besonders die Analogie des Teufelkreises gefällt mir sehr sehr gut. Es ist deutlich zu erkennen, dass hier jemand schreibt, der die Sprache liebt und sie sich zum Werkzeug gemacht hat. Die Autorin hat deutsche Literatur, Linguistik und Philosophie studiert und das merkt man auch. Mir persönlich gefällt das gut, die Handlung ist zeitweise für mich schon fast zur Nebensache geworden, weil ich mich so an kleinen Sätzen erfreut habe. Aber klar, es gibt eine Handlung und auch der Sinn des Buchtitels wird deutlich. Ich kann mir das Buch sehr gut in der Oberstufe eines Deutsch Kurses vorstellen, also ich hätte mich "damals" sehr gefreut. Ich glaube, dass der Roman, der übrigens auch ein Krimi ist, nicht für jeden etwas ist. Wer aber nicht nur Input, sondern Literatur lesen möchte, die durchaus auch amüsante Szenen hat, sollte dem hier unbedingt eine Chance geben. Den Punktabzug gibt es von mir auch nur, weil mir das Ende plötzlich zu schnell kam und manche Fragen bei mir offen blieben. Trotzdem gibt's von mir eine klare Leseempfehlung!