Vielschichtig, aber distanziert – ein eindringlicher Blick auf das Fremde

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Martina Clavadetschers Die Schrecken der Anderen ist ein sprachlich starkes, inhaltlich tiefgehendes Buch, das mich beeindruckt, aber nicht ganz gepackt hat. Besonders angesprochen hat mich zunächst das Cover: Mit seiner klaren, fast rätselhaften Gestaltung hat es sofort meine Neugier geweckt. Es war tatsächlich der Hauptgrund, warum ich überhaupt zu diesem Buch gegriffen habe. Die Ästhetik vermittelt etwas Geheimnisvolles und Verschwommenes – passend zum Titel. Im Nachhinein fällt es mir aber schwer, einen direkten Bezug zwischen Cover und Inhalt herzustellen. Vielleicht liegt darin aber auch eine gewisse Raffinesse: Das Unbestimmte, das Uneindeutige, das sich nicht sofort erschließt – genau das durchzieht auch den Text selbst.

Clavadetscher erzählt fragmentarisch von Begegnungen mit dem Fremden – sei es zwischen Menschen, Kulturen oder in sich selbst. Die Episoden werfen Schlaglichter auf Situationen, die oft nur angedeutet werden. Das erzeugt eine eigenartige Spannung, lässt aber wenig Nähe zu den Figuren aufkommen. Sie wirken eher wie Beobachtungsobjekte, was die emotionale Bindung erschwert.

Stilistisch überzeugt das Buch mit einer präzisen, fast schon klinischen Sprache. Clavadetschers Stärke liegt in der Andeutung, im Zwischen-den-Zeilen. Das macht den Roman intellektuell reizvoll, aber emotional etwas kühl.

Ich vergebe 4 von 5 Sternen. Die Schrecken der Anderen ist ein interessantes, gut geschriebenes Buch, das zum Nachdenken anregt – aber eher für Leser*innen geeignet ist, die gerne analysieren, statt mitzufühlen. Mein Fazit: Anspruchsvoll, klug, aber nicht ganz fesselnd. Wer sich für gesellschaftliche Grenzfragen interessiert, wird hier dennoch fündig.