Die Hoffnung stirbt zuletzt

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glocke Avatar

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Wow! Yasmina Khadra bei Vorablesen! Ich war mindestens genauso überrascht wie erfreut zu sehen, dass das neue Werk von Mohammed Moulessehoul, wie Khadra mit richtigem Namen heißt, bei vorablesen.de vorgestellt wird. Khadra schreibt nun wirklich alles andere als Mainstream-Literatur und ist in Deutschland leider nicht allzu bekannt; umso toller finde ich es, dass diese Tatsache durch vorablesen.de geändert wird und zumindest 100 Leser mehr die Möglichkeit bekommen, diesen Ausnahme-Autor kennenzulernen. Ich habe schon einiges von ihm gelesen und finde seine Art zu schreiben einfach klasse.

Aber nun zum Buch: 

Dieses Mal geht es nicht um Islamismus und die Konflikte, die im Namen der Religion geführt werden sondern Hauptschauplatz ist Algerien, Khadras Heimat, die er vor 10 Jahren verließ und nach Frankreich ins Exil ging.

Die Geschichte wird erzählt vom zehnjährigen Younes. Er schildert das Leben mit seinen Eltern und seiner Schwester auf dem Land in Algerien um 1930. Der Leser erfährt einiges über die Familie und die Umstände, in denen diese lebt ("_dass man morgens aufwachte, grenzte an ein Wunder, und abends vor dem Einschlafen fragten wir uns, ob es nicht vernünftiger wäre, die Augen ein für alle Male zu schließen."_).  Der Vater ist Bauer und lebt für seine Felder. Leider wird die Existenzgrundlage der Eltern kurze Zeit später zunichte gemacht; die Felder brennen lichterloh und der Vater, ein gottergebener Mann _("»Gott entscheidet, welches Übel uns treffen soll«, antwortete mein Vater."_) beschließt, das Dorf zu verlassen und in der Stadt ihr Glück zu versuchen.

Der Leser begleitet die kleine Familie auf dem beschwerlichen Fußmarsch nach Oran, eine Küstenstadt im Westen Algeriens. Dort lernen wir Younes' Onkel, den Bruder seines Vaters kennen, von dessen Existenz der kleine Junge bisher nicht einmal etwas gewusst hatte. Da Issa, Younes Vater zu stolz ist, die Übergangszeit bei seinem Bruder zu verbringen, zieht die Familie am gleichen Abend noch in ein "Haus", das eher einem Rattenloch denn einer Unterkunft für Menschen ähnelt und ohne Zeit verstreichen zu lassen geht es am nächsten Tag auch gleich auf Arbeitssuche für Younes' Vater.

Khadras Schreibstil ist nichts für jedermann und seine Bücher lassen sich auch nicht mal einfach so nebenher lesen. Die Sprache differiert zwischen bildgewaltig, poetisch und teilweise melancholisch, so dass einem das Herz aufgeht - und hart, gnadenlos, direkt ("_Es roch nach Katzenpisse, verrecktem_ _Geflügel und Erbrochenem."_); ich finde das sehr passend, denn gewisse Situationen und Begebenheiten können nur mit einem bestimmten Vokabular widergegeben werden.

Trotz der oftmals recht düsteren Stimmung, ist es immer wieder eine Freude, Khadras Dialoge und Beschreibungen zu lesen, da sie sich doch sehr von anderer Literatur abheben. Einerseits sind die Begebenheiten, die erzählt werden, hoffnungslos, doch diese Hoffnungslosigkeit wird so gewaltig und detailverliebt beschrieben, dass einem nichts anderes übrig bleibt, weiter zu lesen, weil einen die Sprache so sehr in den Bann zieht ("_Unser Hund lief mit gesenktem Kopf in weitem Abstand hinter uns her. Ab und zu stoppte er auf einem Erdhügel, setzte_ _ich auf die Hinterläufe, wie um zu sehen, ob er wohl durchhalten würde, bis wir am Horizont verschwunden waren, sprang dann wieder auf, preschte weiter die Piste entlang, versuchte uns einzuholen, die Schnauze dicht am Boden. Je näher er kam, umso matter wurde er, hockte sich wieder am Rand der Piste hin, unglücklich und ratlos. Er ahnte wohl, dass es da, wo wir hingingen, keinen Platz für ihn gab. Als wir den Hof verließen, hatte mein Vater ein paar Steine nach ihm geworfen, um es ihm klarzumachen. Ich hatte meinen Hund sehr lieb. Er war mein einziger Freund, mein einziger Vertrauter. Ich fragte mich, was aus uns_ _beiden wohl werden würde, jetzt, da unsere Wege sich trennten."_) und man doch noch eins behalten hat: die Hoffnung, dass alles wieder gut wird.

Von mir Daumen hoch ![](http://vorablesen.de/modules/fckeditor/fckeditor/editor/images/smiley/msn/thumbs_up.gif) - ich bin gespannt, wie es mit Younes, respektive Jonas und seiner Familie weitergeht.