Es wird keiner zurückgelassen.

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kleine hexe Avatar

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Das Motto der Bergleute in der ganzen Welt ist auch für das Schlemmatal gültig. Hier geht der Bergbau auf etwa 1170 zurück, zuerst Eisen und Mangan, dann Silber, Kupfer, Kobalt, Wismut, Uran. Das zieht sich durch die Jahrhunderte und durch die politischen Systeme durch, wobei es am schlimmsten es zur Zeit des DDR Regimes gewesen sein. Der Uranabbau war fest in sowjetischer Hand, wer es wagte, zu widersprechen oder aufzubegehren, wurde nach Moskau verschleppt und in den dortigen KGB Gefängnissen erschossen. Uranabbau ist tödlich für den Menschen. Wen nicht die Silikose in der Lunge umbringt, die Strahlung erledigt das locker.
Wir begleiten im Buch die Bergmannsfamilie Steiner, von 1908 bis 2019, mehr als 100 Jahre Geschichte. Es ist nicht nur Familiengeschichte, sondern auch die Geschichte der Gesellschaft. In all dieser Zeit hält die Familie zusammen und ist füreinander da. Durch gute und gefährliche Zeiten, durch magere Zeiten (und die gab es “im Überfluß”), durch Zeiten der unpolitischen Freiheit, in denen ein Wort oder eine Geste den Tod bedeutete. Anhand der Familie Steiner erfahren wir, wie das ganze Tal eigentlich lebte: ihre abendlichen Rituale wenn die Bergleute aus der Grube heimkehrten, mit den Lichtern für jedes Familienmitglied eines im Fenster, so dass die Bergleute wußten, alles gut daheim, keiner krank oder verletzt. Mit den Weihnachtsbräuchen, den Trachten, den Chören und Aufmärschen der Bergleute. Und über allem die wiederkehrenden Worte: “Ein Bergmann ist ehrlich” und “Wir lassen keinen zurück”, ohne denen wohl der tägliche Abstieg in die Grube undenkbar gewesen wäre. Generationen von Männern steigen Tag für Tag in die Grube hinab, nicht wissend, ob und wann sie wieder herauskommen, sehen nur an Sonntagen die Sonne und lieben trotzdem den Beruf.
Schöner, nachklingender Schreibstil den Kati Naumann da verwendet und meisterlich beherrscht. Die Kapitel alternieren zwischen 2019 und von 1908 aufwärts. So erhalten wir einen klaren Einblick in das harte und oft entbehrungsreiche Leben der Bergleute und ihrer Familien. Der Zusammenhalt der Familie wird durch das ganze Buch hindurch unter Beweis gestellt. Auch zum Schluss, als Luisa, Michaela und Irma Steiner und Gretchen, eine Freundin der Familie, nach Moskau reisen, um über den Verbleib von Michail, einem sowjetischen Soldaten und Michaelas Vater, und Rudolf Steiners zu forschen. Es gelingt ihnen, Michails Familie zu finden, nur leider ist Michail schon verstorben. Sie schließen Freundschaft mit seiner Familie in dem ukrainischen Dorf und fahren anschließend nach Moskau. Rudolf Steiner war von der KGB 1951 erschossen . Nun wollen die Frauen erfahren, warum, unter welchen Anschuldigung das geschah und wollen ihn rehabilitieren lassen. Doch das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Akten wurden noch unter Stalin vernichtet, eine Rehabilitation ist nicht mehr möglich. Doch Luisa Steiner ist findig. Sie überredet einen jungen russischen Studenten, eine fiktive Urkunde auszudrucken, in der Rudolf Steiner rehabilitiert wird. Irma und Gretchen sind glücklich, sie kehren mit dem Gefühl zurück, sie haben für ihren lang verschollenen Bruder, für die Familie etwas getan, ihre Pflicht erfüllt. Und sie haben keinen zurückgelassen.