Fulminanter Geistertanz

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Der mit dem Booker Prize 2022 prämierte Roman „Die sieben Monde des Maali Almeida“ des srilankischen Autors Shehan Karunatilaka entführt auf sprudelnd-fantasievolle Weise in die brutalen Schrecken des Bürgerkrieges der 1980er-Jahre und in eine magisch-düstere Zwischenwelt der Toten.

Der spielsüchtige, queere, atheistische Kriegsfotograf Maali Almeida erwacht eines Tages in einer Art Behörde für Tote – sieben Nächte, also sieben Monde hat er Zeit zu recherchieren, wie und warum er ums Leben gekommen ist. In dieser Zeit kehrt der Protagonist in zahlreichen zeitlichen Rückblenden zurück zu seinen Liebsten im Leben, hat aber auch mit Geister und Dämonen jeglicher Art zu kämpfen – innere und äußere, wie die Kriegsverbrechen samt Korruption, die vielen Ermordeten, Verschwundenen sowie Untoten.

Mit viel schwarzem Humor, eindringlicher Mythologie und einer opulent-rasanten Erzählweise samt außergewöhnlicher Perspektive in der zweiten Person hat Shehan Karunatilaka ein literarisches Gesamtkunstwerk erschaffen, ein Genre-Mix aus Krimi und Gesellschaftsroman, dessen Zugang der Leser sich erst erarbeiten muss. Hilfreich ist ein Glossar samt Personenverzeichnis am Ende des Buches, aber auch sein packender und faszinierender Schreibstil. Ein Ereignis jagt das nächste, zahlreiche Charaktere tauchen auf, tief führt er in die gewaltvolle, gesellschaftspolitische Geschichte seines Landes, während Maali in seiner 7-Monde-Frist versucht, an brisante Negative heranzukommen, die Kriegsverbrecher und Korrupte zeigen. Schwer zu ertragen sind so manche Erläuterungen aus einem Foltergefängnis und einem See, in dem die Leichen entsorgt werden.

Eine faszinierende Mission und der rote Faden des knapp 550 Seiten starken Werkes, das spannend und berührend, hart und zärtlich zugleich gewoben ist. Dabei war der fehlerhafte Protagonist im Leben auch nicht immer loyal und hat sich auf die Seite gestellt, die ihn bezahlt hat und jede Menge Liebschaften hinter sich.

Klug, fesselnd, kraftvoll sowie manchmal ausufernd und mit einer Hommage an Colombo und Sri Lanka ist dieser fulminante Geistertanz ein literarisches Erlebnis, das noch lange nachhallt und viel über die Gräueltaten des srilankischen Bürgerkrieges, aber auch an das turbulente Menschsein an sich, zu erzählen hat.