Im Universum herrscht Anarchie

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owenmeany Avatar

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Rasant beginnt dieser vordergründig als Fantasy erscheinende Roman, dekoriert mit dem 2022er Booker Prize - für mich Grund genug, dieses Werk mit Genuss verschlingen zu wollen. Es führt uns in die Zwischenwelt der gerade erst Gestorbenen, und da Maali in politisch aufgewühlten Zeiten ums Leben kommt, spielt natürlich die gesamte Situation Sri Lankas eine Rolle, deren Verständnis uns ein Glossar im Anhang erleichtern soll.

Der Waschzettel umreißt bereits die grobe Handlung. Der Ernst der Lage ist jedem zeitgeschichtlich Interessierten bekannt. Auf diesem Hintergrund spielt sich ein wahrhaft absurdes Theater ab voller Sarkasmus und mit einem abgründigen schwarzen Humor. Die Charaktere des Zwischenreichs präsentieren uns die erlebten Grausamkeiten auf derart erfindungsreiche Art, dass ich mir eine Verfilmung als das reinste Splattermovie vorstelle.

Der Autor fordert mich als Leser ungemein heraus. Dass der eigentliche Ich-Erzähler sich selbst permanent in der zweiten Person Singular anspricht - daran habe ich mich schnell gewöhnt, es ist mir auch nicht ganz neu. Doch das dauernde Nachschlagen von fremdsprachigen Vokabeln, Personennamen und politischen Gruppierungen im Anhang fand ich ziemlich mühsam. Jede Szene für sich ist schlüssig und amüsant, aber es fiel mir schwer, dem Zusammenhang zu folgen. Der übersprühende Ideenreichtum bewirkt eine gewisse Konfusion, die Zeitsprünge und Ortswechsel, die hier auch nicht durch einen vorausgesetzten Realismus gebremst werden, machen das Ganze nicht übersichtlicher.

Hat man sich auf diese Hürde eingelassen, vermittelt einem das Buch einen authentischeren Eindruck von der Verfassung dieser Nation als ein historisches Sachbuch. Förmlich flimmerte mir ein Bild der beschriebenen Gesellschaft und Kultur vor Augen, geprägt von Korruption, Gewalt, Rassismus, Bürgerkrieg und Unterdrückung. Darauf stimmt einen auch das Titelbild von vornherein gut ein. Eine metaphysische Dimension gewinnt das Ganze noch durch den Läuterungsprozess des Protagonisten und den Kampf böser gegen die guten Mächte, die sich aber gar nicht so konturiert voneinander absetzen. Zum Ende hin lichtete sich für mich der Nebel, und ich konnte eine Logik im Handlungsablauf erkennen, aber bis dahin wurde meine Geduld außerordentlich strapaziert.