Preisgekrönt!

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mrsamy Avatar

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Sri Lanka in den 1980er Jahren. Der kleine Inselstaat ist Heimat zahlreicher verschiedener Ethnien und ein schrecklicher Bürgerkrieg tobt in dem Land. Massaker an der ganz normalen Bevölkerung und die Entfernung unbequemer Mitmenschen sind an der Tagesordnung, scheinbar niemand ist sicher. In dieser Zeit voller Unsicherheiten hat es sich Maali Almeida zur Aufgabe gemacht, das Grauen des Krieges, die täglichen Misshandlungen und die Akteure dahinter mit der Kamera einzufangen. Er ist vielleicht kein meisterhafter Fotograf, aber er hat nicht nur das Glück, immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, sondern auch ein untrügliches Gespür für den richtigen Winkel und die richtige Entfernung. Seine Auftraggeber sind zahlreich und gehören den verschiedensten Interessenvertretungen an. Sein Job ist gefährlich, doch Almeida denkt, dass ihm nichts passieren kann. Doch dann ist er eines Tages tot und steht in der Halle der Geister. Nur sieben Monde (Tage) hat er nun Zeit, noch als Geist auf der Erde zu wandeln, wenn er nicht von schauderhaften Dämonen gefressen werden will. Almeida will seine Mörder finden, noch wichtiger aber ist ihm, einen Karton mit Fotos von ihm zu retten und der Welt zu zeigen. Doch kann ihm das gelingen?

„Die sieben Monde des Maali Almeida“ ist nicht nur ein außergewöhnlicher Roman des Schriftstellers Shehan Karunatilaka, sondern auch Gewinner der Booker Prize 2022. Das 532 Seiten starke Buch entführt den Leser mitten hinein in das Sri Lanka der 1980er Jahre. Wer sich noch nie mit der Geschichte Sri Lankas beschäftigt hat, wird es nach diesem Roman definitiv tun. Zahlreiche verschiedene Gruppierungen und Ethnien versuchen ihre Interessen in den Vordergrund zu spielen und das einzige legitime Mittel dafür scheint Gewalt zu sein. Was man in diesem Buch erfährt scheint unglaublich aber dennoch wahr zu sein. Doch bevor man richtig in die Geschehnisse eintaucht, steht man erst einmal mit Almeida in einer riesigen Halle, in die alle Toten direkt nach ihrem Ableben kommen. Dabei erlebt man das Geschehen aus einer sehr ungewöhnlichen Perspektive. Hier wird als Erzählform die 2. Person Singular gewählt, mit der man zuerst einmal warm werden muss. Zugegeben, das dauert ein Stück, doch schon bald hat man sich daran gewöhnt und taucht tief in die Handlung ein. Almeida werden sieben Tage (Monde) eingeräumt, die er als Geist noch auf der Erde verbringen kann. Dann muss er zurückkehren und ins Licht gehen, wenn er nicht als endlos dahinstreunender Geist, bedroht von finsteren Dämonen, enden will. Und so macht sich Almeida, der sich nicht an die Umstände seines Todes erinnern kann auf, seine Mörder zu finden und seine besten Bilder, die er in einem Karton unter einem Bett aufbewahrt, zu retten, um der Öffentlichkeit die Augen zu öffnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei seine beiden engsten Vertrauen, seine beste Freundin Jaki und sein Geliebter DD, den er jedoch mit zahlreichen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit anderen hübschen Männern betrogen hat. Den Almeida ist nicht nur ein begnadeter Fotograf, sondern auch schwul und zudem Glücksspieler. Eine brisante Mischung und beim Lesen kommt einen nicht selten der Gedanke, dass sein ganzes Leben einem Glückspiel glich.
Almeida kann als Toter auf den Winden reisen, die ihn dorthin tragen, wo sein Name gesprochen wird. Und so reist auch der Leser mal mehr mal weniger rasant, von einem Akteur zum anderen. Die Handlung ist sehr komplex und die Akteure zahlreich und doch gelingt es dem Autor, seinen Roman so zu gestalten, dass man nicht den Überblick verliert und gemeinsam mit Almeida auf den verschiedenen Winden dahingleitet und so nicht nur einen Eindruck von Almeidas Leben bekommt, sondern vor allem auch dem Land, in dem dieser faszinierende Roman spielt. Und so ist es ein Roman für all jene, die offen gegenüber Literatur mit fantastischen Elementen sind, und die tief eintauchen wollen, in eine Zeit und Kultur, die uns nur wenig bekannt ist. Die bereit sind, sich auch in die Abgründe der menschlichen Existenz zu wagen und die ein sehr nachhaltiges Leseerlebnis suchen.