So viel mehr als Sterbehilfe!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
abibliophobia Avatar

Von

Das Cover des Buches wirkt im ersten Moment wie ein 08/15 Krimi, der Titel weckt bei mir keine Assoziationen, ergibt nach der Lektüre aber durchaus Sinn.
Der Klappentext ist kurz, aber aussagekräftig. Er erinnert mich an Gott von Ferdinand von Schirach, daher war ich sehr gespannt und hatte hohe Erwartungen im Hinblick auf Spannung und gute Unterhaltung an das Buch.
Nicht nur der Schutzumschlag, auch das Buch ist schön gestaltet, der schwarze Einband ist ein toller Kontrast und passt super zum Thema. Das Thema ist mir nicht unbekannt, da ich bereits einiges über Sterbehilfe gelesen haben, daher war der persönliche Einstieg ins Thema sofort gegeben. Tatsächlich ist dies ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Angst vorm Sterben habe ich nicht, aber davor, dass ich mein Leben voller Schmerzen beenden will, aber es nicht mehr selbst kann. Dieses sensible Thema greift Thiele sehr gut auf und trifft damit einen Nerv. Hier muss Deutschland seine Gesetze wirklich überarbeiten und die Bedürfnisse der Gesellschaft neu denken.
Ich habe bereits „Das Echo des Schweigens“ gelesen und war restlos begeistert. Thielen ist ein sehr guter Jurist und ein noch besserer Autor.
Die Charaktere werden langsam eingeführt, jeder mit seiner eigenen starken Seite und seiner persönlichen Geschichte. Zu Beginn hatte ich Sorge, dass mich der Plot zu sehr an Schirach erinnert, aber auch wenn Thiele sehr sachlich schildert, hat er doch einen ganz anderen, überzeugenden Erzählstil. Er schreibt sehr eindringlich und ansprechend ohne zu werten oder aufdringlich zu sein.
So sehr es auch fesselt, si schwer ist es an einigen Stellen zu lesen. Max Kindheitserinnerungen ließen mir die Tränen übers Gesicht laufen und ich war so erschüttert, dass ich das Buch sogar kurz weglegen musste.
Mit leisen Worten zeigt Thiele dem Leser unauffällig zwischen der Handlung, worauf es wirklich ankommt, was man bereut, wenn es zu spät ist und was im Leben wirklich zählt. Man trägt das Buch im Herzen, aber auch im Kopf. Nie habe ich ein Buch gelesen, dass die Bedürfnisse von Herz und Kopf so treffend auf den Punkt bringt, ohne belehrend daher zu kommen. Die Kapitel springen in der Zeit, aber ich bin noch nie so schnell und tief in das jeweilige Jahrzehnt eingetaucht und habe die Handlung um mich herum vergessen.
Das Buch geht so viel tiefer, als zu Anfang erwartet. Sterbehilfe ist nur eine der vielen existenziellen Fragen, um die es in diesem Roman geht. Man hinterfragt alles: die verschiedenen Blickwinkel der Protagonisten, aber auch seine eigene Meinung zum Thema.
Beim lesen traut man keinem mehr, was einen riesen Spannungsaufbau erzeugt. Ein überaus gelungenes Buch, dass mich aus so vielen Gründen gefesselt hat. Eine ganz klare Leseempfehlung für ein Buch mit Tiefgang, das auch nach dem Lesen noch in einem arbeitet.