Wo liegt die Grenze der Selbstbestimmung?

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rosecarie Avatar

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Max ist Arzt. Er widmet sich dem Retten von Leben, heilt Krankheiten und folgt dem hippokratischen Eid. Doch als seine Tante, die wie eine Mutter für ihn war, ihn um die Erfüllung ihres letzten Wunsches bittet, begibt er sich in eine moralische und gesetzliche Grauzone. Er half ihr dabei, zu sterben, würdevoll und ohne Leid, so wie sie es sich wünschte. Doch vor de Gesetz hat er sich nun womöglich des Mordes schuldig gemacht. Er bittet seinen besten Freund und Staatsanwalt um Hilfe… er hat doch nichts Unrechtes getan? Soll Max dafür nun wirklich belangt werden?

Die Thematik hat mich gleich angesprochen. Ein sehr emotionales und moralisch aufgeladenes Thema, an das sich niemand so recht rantraut. Schon gar nicht der Gesetzgeber.

Das Buch beginnt schon mit einem sehr spannenden Vorwort, das bei mir zuhause direkt zur Diskussion geführt hat. Das ging so weit, dass ich das Buch erstmal wieder beiseitelegen musste, weil wir mussten ja erstmal diskutieren :D So soll das sein, genau das habe ich mir von dem Buch erhofft.

Zu Beginn ist alles noch sehr verworren. Wir starten in der Vergangenheit mit einem Unfall, kriegen aber erstmal nichts von den Konsequenzen mit, weil dann ein größerer Zeitsprung folgt. Da gibt es verschiedene Perspektiven und verschiedene Handlungsstränge, bei denen man zwar einen Zusammenhang erahnen, aber noch nicht ganz verstehen kann. Der Aufbau der Geschichte hat mir gut gefallen.

Dem Autor ist es gut gelungen, die Waage zwischen Fiction, Plot und Realität bzw. juristische Fakten zu halten. Die Lesenden kriegen erstmal gute Basics an die Hand, um das Dilemma überhaupt in seiner Gänze zu begreifen. Er greift die Diskussion aus verschiedenen Perspektiven auf, hat aber auch eine ganz klare eigene Haltung zur Thematik. Nämlich, dass das Gesetz hier willkürlich eine Grenze zwischen Freitod und Mord zieht und dass die Paragraphen dazu verfassungswidrig sind, da sie in das Persönlichkeitsrecht, in dem Fall, dem Recht in Würde und selbstbestimmt zu sterben, eingreift.

Und das macht er ganz geschickt mit sehr lebendigen Figuren, die alle eine eigene spannende Geschichte zu erzählen haben, eine Vergangenheit mit sich rumschleppen und auf Ziele hinarbeiten. Der Autor arbeitet mit der Sicht verschiedener Perspektiven, springt in die Vergangenheit, dann wieder in die Gegenwart und lässt ein großes und schlüssiges Gesamtbild entstehen.

Die Nebenstories kommen ein bisschen zu kurz, denn es sind sehr viele und das Hauptthema „Sterbehilfe“ nimmt natürlich sehr viel Raum ein. Es war der Versuch des Autors, den Figuren Farbe und Tiefe zu geben, was ihm die allermeiste Zeit auch gelungen ist. Alles konnte aber eben dann doch nicht auserzählt werden.

Sterbehilfe, der Tod ganz allgemein, Kirche, Glaube, Sünde, Trauma, ein Unfall, Schuld, Geheimnisse, Wissenswertes über das Segeln, Alkoholerkrankung, Schwangerschaftsabbruch und der Paragraph, der das Werben dafür verbietet, zwischendurch taucht auch noch das Jugendamt auf - alles sehr spannende und interessante Themen, es ist dann für die knapp 400 Seiten doch recht viel.

Die Szenen im Gerichtssaal fand ich ganz besonders spannend, aber letzten Endes hat mich einfach das Gesamtpaket überzeugt. Der Autor hat ein tabuisiertes Thema aufgegriffen und einen runden und gelungenen Roman geschaffen, der sich die Thematik der Sterbehilfe sehr differenziert anschaut. Das alles verpackt in eine unterhaltsame Geschichte mit schön ausgearbeiteten Figuren und einem angenehmen Spannungsbogen. Da hab ich jetzt auf jeden Fall noch eine Weile was zum Nachdenken!