Interessant gestrickt

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elke seifried Avatar

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»Heute Abend wird jemand ermordet werden. Es wird nicht wie ein Mord aussehen, und man wird den Mörder daher nicht fassen. Bereinigen Sie dieses Unrecht, und ich zeige Ihnen den Weg hinaus.«, das ist der Auftrag, den Aiden Bishop auf Blackheath zu erfüllen hat um diesem unheimlichen Anwesen wieder zu entkommen. Wird es ihm gelingen den Mord an Evelyn Hardcastle, der auf dem Ball, zu dem ihre Familie ihr zu Ehren geladen hat, geschieht, aufzuklären oder gar zu verhindern?

Als Hörer erwacht man mit Aiden Bishop ohne Erinnerung und in einem völligen anderen Körper im Wald, wird wenig später Zeuge, wie eine Anna durch den Wald gehetzt wird und ein Schuss fällt. Wurde vor seinen Augen gerade eben jemand ermordet? Einem Kompass folgend, steht man wenig später mit ihm vor den Toren von Blackheath, bekommt die Türen von einem völlig entstellten und verwundeten Pförtner geöffnet und stolpert so nahezu orientierungslos und absolut unwissend in eine äußerst seltsame Gesellschaft, alles Gäste der Familie Hardcastle, die ihrer Tochter zu Ehren zum Ball geladen haben. Wer bin ich, wer sind die anderen und was mache ich hier überhaupt? Warum will mir keiner helfen nach der toten Anna zu suchen? Das sind Fragen die Aiden und auch dem Hörer den Kopf schwer machen. Zunächst noch sichtlich schockiert, findet man mit ihm schnell heraus, dass er in einer Art Zeitschleife hängt, den schrecklichen Tag immer wieder aufs Neue erleben muss und das schaurige Anwesen nur verlassen darf, wenn er herausfindet, wer die junge Dame des Hauses Evelyn Hardcastle während des Maskenballs um Punkt 23 Uhr ermordet. Um den Mord aufzuklären, darf er im Körper von acht unterschiedlichen Wirten in Form von Hausangestellten und Gästen jeweils diesen Tag aus anderen Augen erleben. Wird es ein Entkommen geben? Mehr wird nicht verraten.

Wer bei der Buchbeschreibung und der Werbung „Und täglich grüßt das Murmeltier“ denkt, klar jeden Morgen aufwachen, mit dem was man gestern erfahren hat weiterermitteln, und den Mord aufklären, könnte ein ganz witzig, abgefahrener Krimi sein, den man sich mal so nebenbei anhören kann, hat sich gründlich verrechnet. Der Autor hat hier in meinen Augen einen völlig verqueren, aber im Nachhinein betrachtet auch irgendwie genial gut konstruierten Krimi entworfen, der je mehr man die dunklen Geheimnisse der Familie, der Gäste und die der Angestellten durchschaut, je mehr scheinbar an der Aufklärung ebenso Interessierte und eventuelle Widersacher ins Spiel kommen und und je mehr Leichen sich ansammeln, immer fesselnder wird, aber eben dazu auch vollster Aufmerksamkeit bedarf. Ein Switchen zwischen den acht Wirten, sobald einer die Augen zumacht, steckt man wieder im anderen, bis der einschläft. Ganz schlecht, wenn der Freund von kleinen Nickerchen ist, denn dann wird man schnell wieder in einen anderen katapultiert. Einfach geht anders, aber das will es der Autor seinem vermeintlichen Helden und damit auch dem Leser und Hörer sicherlich auch nicht machen.

Die Geschichte ist sehr verworren, ich denke den Überblick über die verschiedenen Wirte und die einzelne Puzzlestückchen, die zur Lösung führen, zu behalten, ist schon beim Lesen anspruchsvoll, beim Hören hat es meine volle Aufmerksamkeit gekostet. Ich musste nicht selten einige Tracks zurückklicken und nochmals hören, was mir auf Dauer nicht unbedingt das größte Vergnügen bereitet hat. Sobald ich beim Hören mit meinen Gedanken auch nur ganz kurz abgeschweift bin, fühlte ich mich sofort wie aus der Geschichte geworfen und ein Weiterhören ohne jede Entwicklung, jedes neue Puzzleteil und jede Vermutung zu kennen, hätte für mich gar keinen Sinn gemacht, weil die Geschichte an sich von ihrem bis ins Detail ausgeklügelten Aufbau lebt. Das Ganze bettet der Autor in eine schaurig, geheimnisvolle Atmosphäre und formuliert dabei wirklich brillant. Folgende Worte bei Aideens Blick in den Spiegel, um zu sehen, in welchem Körper er steckt, „Dans ist Ende siebzig und von außen genauso vertrocknet und grau wie von innen, er ist nahezu kahl und sein Gesicht ist ein wahres Flussbett aus Falten, die von seinem Schädel herabströmen und eine gewaltige Römernase umfließen, wie einen Fels in der Brandung. Zu beiden Seiten dieses Zinkens wächst ein grauer Schnurrbart und darüber liegen dunkle, leblose Augen, die nichts von dem Mann preisgeben, der dahintersteckt, außer dass sie die Vermutung aufwerfen, dass es einen solchen Man womöglich gar nicht gibt.“, ist nur ein Beispiel dafür.

Frank Stieren hat mich schon mit so manchem eingelesenen Hörbuch begeistert und auch dieses Mal hat er wieder grandiose Arbeit geleistet. Er ist für mich inzwischen schon jemand, der schaurige, unheimliche Stimmung so gut transportiert, dass ich schon im Voraus weiß, hier darf man ganz tief in die Geschichte eintauchen und Gänsehautmomente verspüren. Mit seinem perfekt angepassten Sprachtempo, nicht zu schnell, um einem das der Geschichte Folgen so einfach wie möglich zu machen, nicht zu langsam, um zu vermeiden, dass Längen entstehen, und mit den feinen Variationen, mit denen er die spannenden, gefährlichen und auch die nachdenklichen Szenen perfekt umsetzt, kann er nur absolut überzeugen. Zudem verpasst er noch jedem der Mitspieler mit einer breiten Variationsvielfalt seinen ganz eigenen Tonfall. Besser könnte man es sicher nicht machen.

Alles in allem reicht es bei mir nicht mehr für fünf Sterne, weil die Begeisterung für die Verworrenheit der Geschichte erst nach und nach entstand und mir auch das Hören trotz der perfekten Umsetzung durch den Sprecher als andere als leicht fiel, aber vier sind sicher noch drin.