Der Weg ist das Ziel

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theresia626 Avatar

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In Peter Nichols Roman “Die Sommer mit Lulu“ geht es um Lulu Davenport und Gerald Rutledge, deren kurze Ehe vor etwa 60 Jahren im Jahr 1948 endete. Sie leben beide immer noch auf Mallorca und sind einander während all dieser Jahre erfolgreich aus dem Weg gegangen. Beide sind in den 80ern, aber während sich Lulu äußerlich gut gehalten hat, wirkt Gerald stark gealtert und hinfällig. Als sie sich eines Tages dann doch begegnen, äußert sich Lulu voller Hass und Verachtung und ekelt sich vor seinem körperlichen Verfall. Nach einem kurzen Streit stürzen beide von den Klippen und ertrinken. Geralds Tochter Aegina und Lulus Sohn Luc aus der jeweils zweiten Ehe müssen mit einem schweren Erbe fertig werden.
Die Besonderheit dieses Romans ist die ungewöhnliche Erzählstruktur. Erzählen auf mehreren Zeitebenen ist gängige Praxis. Nichols wählt eine andere Methode. Er erzählt die Geschichte rückwärts, beginnend mit dem Jahr 2005 und dem Tod der Ex-Partner bis zum Jahr 1948, als ein rätselhaftes Ereignis die Liebenden für immer trennte. Der Leser verfolgt die Geschichte, bewegt sich auf diesen entscheidenden Moment zu und gewinnt Einsichten nicht über ein Geschehen am Ende einer Entwicklung, sondern über etwas, das längst passiert ist und alles Folgende erklärt. Der Autor stellt bewusst das Zitat aus dem Ithaka-Gedicht über eine lange Seereise an den Anfang. Auch hier geht es um Erfahrungen und den Zugewinn an Einsichten.
Mir hat die Leseprobe sehr gut gefallen. Die gewählte Erzählstruktur entwickelt einen Sog, dem sich der Leser nicht mehr entziehen kann. Ich bin sehr gespannt auf dieses ungewöhnliche Buch, das – auch wenn es auf einer wunderschönen Insel im Mittelmeer spielt – gewiss alles andere vermittelt als eine Idylle von Sonne, Strand und Meer.