Ich habe Ronya Othmanns "Die Sommer" mit großer Freude gelesen, ein sehr aufrüttelndes, kluges und dabei niemals belehrendes Buch. Othmann ist mir als Teil der jungen literarischen Szene schon eine Weile bekannt, ihr Roman ist ein eindringlicher Appel und gerade jetzt brandaktuell: Zerissenheit und Nicht-Zugehörigkeitsgefühle junger Menschen, die mit den Migrationsgeschichten ihrer Eltern und Vorfahren aufwachsen und die Entwicklung dieser Geschichten von Kindheitserzählungen des eigenen Vaters am Küchentisch in Deutschland zu tatsächlich gefühlter eigenen Vergangenheit und Gegenwart. In "Die Sommer" muss die junge Protagonistin schon früh erkennen, dass ihr deutsches Umfeld sich nicht für ihre kurdisch-jesidische Familie interessiert, es fragt einfach niemand nach. Othmanns Buch lässt deutlich werden, wie wichtig das Zuhören ist, das Interesse an diesen Erzählungen, die in diesem Fall auch die Geschichte der Flucht des eigenen Vaters und die Wut über das internationale Versagen angesischts der menschenverachtendenen Verbrechen gegenüber dem kurdischen Volk aufarbeiten.