Emotional tief und nah - wunderschön und schmerzhaft

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darkola77 Avatar

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Tief bewegt hat mich das Buch zurückgelassen - und meinen Mann ebenso, denn ich habe ihm viele Stunden daraus laut vorgelesen. Und manchmal auch ganz leise. Und manchmal musste ich schlucken und die Stimme versagte. Das passiert mir selten. Ronya Othmann beschreibt in einer wunderbar melodischen Sprache die Kindheit und Jugend der Kurdin und Ezidin Leyla, hier in Deutschland - dem Land ihrer Geburt -, dort in einem kleinen Dorf im Norden Syriens, gleich an der Grenze zur Türkei. Ihre scheinbar unbeschwerten Sommer bei ihren Großeltern, Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen, nachts unter dem freien Sternenhimmel, tagsüber zum Schutz vor der Hitze geborgen hinter den dicken Mauern des Hauses. Und dann, für mich als Leserin ganz langsam, erhält das Grauen, der Schrecken des Krieges Einzug, Furcht, Angst und Vertreibung, die bereits seit vielen, vielen Generationen Teil der Geschichte des ezidischen Volkes sind. Leyla, ihr Vater und ihre Mutter in Deutschland sind Teil dieses Krieges, wenn auch räumlich ganz weit entfernt, emotional dagegen so nah. Was macht das mit ihrem eigenen Leben, wie viel eigenes Leben kann so überhaupt entstehen, wachsen und über die Jahre bleiben - Ronya Othmann schildert es eindrucksvoll und mit einer Intensität und Nähe, die ich manchmal nur schwer zulassen konnte. Dieses Leseerlebnis bleibt - und zwar deutlich länger als diesen "einen Sommer" in meinem Kopf. Und ich hoffe sehr, dass auch die Fragen, die dieses Buch in mir aufgeworfen hat, und all meine Neugier auf Antworten so schnell nicht zur Ruhe kommen werden.