Mehr Kunstwerk als Roman

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Leyla ist die Tochter eines jesidischen Kurden und einer Deutschen. Geboren in Deutschland, verbringt sie, seit sie drei Jahre alt ist, jeden Sommer im Dorf ihrer Großeltern in Syrien. Dort hilft sie ihrer Großmutter im Garten, spielt mit den Cousins und erlebt eine völlig andere Welt als in Deutschland.

Von Anfang an werden die Unterschiede zwischen Leyla und ihren Cousinen beschrieben. Rückblickend sieht sie, dass auch sie dafür verantwortlich war, aber als Kind fühlte sie sich nicht immer ganz zugehörig. Zu ihrer Großmutter dagegen hat Leyla ein sehr enges und inniges Verhältnis. Zu Beginn des Buches wird nur wenig über Leylas Leben in Deutschland gesprochen, jedoch hat sie dort eine enge Freundin.

Im Buch werden beinahe episodenmäßig Geschichten erzählt, aus verschiedenen Zeitperioden. Der Vater erzählt aus seiner Kindheit und aus dem Leben der Verwandten und Leyla erinnert sich an ihre Sommer bei den Großeltern. Zeitweise sind diese Episoden leider etwas verwirrend, da sie scheinbar zufällig aufeinander folgen und oft auch Hintergrundwissen vorausgesetzt wird. Im späteren Verlauf der Geschichte ändert sich der Fokus. Wurde zuvor beinahe nur über die Zeit im Dorf geredet, so geht es im letzten Drittel beinahe nur noch um die Zeit in Deutschland. Je älter Leyla wird und je angespannter die Situation im Nahen Osten ist, umso unglücklicher wird sie. Sie merkt, wie wenig die Deutschen um sie herum über die Situation der Kurden wissen und wissen wollen. Nicht einmal die beste Freundin will mit ihr darüber reden. Leyla fühlt sich nicht zugehörig und fällt in ein tiefes Loch.
Der Schreibstil wirkt im Allgemeinen eher kindlich und naiv, was aber gut zum Buch passt.

Im Gegensatz zum Rest war ich mit der charakterlichen Gestaltung des Buches nicht so zufrieden. Gerade mit Leyla hatte ich meine Probleme. Aus ihrer Sicht wurde zwar alles beschrieben, aber trotzdem blieb sie irgendwie völlig farblos. Gerade im späteren Verlauf, wo es stark um ihre Emotionen und ihre Interaktionen mit Menschen in Deutschland ging, schien sie oft einfach nur da zu sein. Im Text wurde dann beschrieben, was andere zu ihr sagen, aber meist zeigte sie darauf keine Reaktion, oder es wurde nicht beschrieben, was sie erwidert. Sie scheint vollkommen stumm und leblos zu sein. Ihre Emotionen konnte man zwar verstehen, aber nicht wirklich nachfühlen.

„Die Sommer“ ist meiner Meinung nach mehr ein Kunstwerk als ein Roman. Es wirft auf jeden Fall Themen auf, die wichtig und unangenehm sind, vor allem hält es uns Deutschen unsere Ignoranz zu diesen Dingen vor. Zugleich ist es aber auch ein Buch über Zugehörigkeit und Sehnsucht eines jungen Mädchens. Trotz einiger Punkte, die mich an „Die Sommer“ etwas störten, bin ich insgesamt begeistert von diesem Buch.