Wichtig und bewegend

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Jeden Sommer verbringt Leyla bei ihren Verwandten im einem syrischen Dorf. Den Rest des Jahres lebt sie in der Nähe von München. Ihre beiden Leben könnten nicht verschiedener sein; nie fühlt sie sich wirklich dazugehörig. Wenn sie im nächsten Jahr wieder in das Dorf kommt, weiß sie nicht mehr über die geheimen Wege Bescheid. Ihre Kleidung aus dem letzten Jahr, die in einem speziellen Fach in ihrem Schrank liegt, passt ihr schon nicht mehr. Sie wird für ihre kurzen Haare kritisiert, die in Deutschland bei den jungen Mädchen angesagt sind. Leyla ist geprägt von Zerrissenheit und einem Gefühl der Fremdheit. Nie ist sie in der Lage, über alle Facetten ihres Lebens mit jemandem zu reden und lebt somit in vielen kleinen Stücken. Ihr Vater, der von seiner Folter im Gefängnis erzählt, ist streng mit der Tochter und will sie zu Höchstleistungen antreiben. Leyla hat den Eindruck, nie genug zu sein. Während dieser Zeit spitzt sich die Lage in Syrien zu und die Sorge um ihre Familie, kurdische Êzîden, wächst. Es wird zu gefährlich, nach Syrien zu reisen. Dennoch ist der Krieg dauerhaft präsent, einerseits in den Gedanken Leylas, andererseits im Fernsehen, in dem der Vater das Geschehen rund um die Uhr verfolgt. Das schlechte Gewissen plagt Leyla: Sie geht mit ihren Kommiliton*innen tanzen, während ihre Familienmitglieder um ihre Leben bangen müssen. Sie kann vor Kummer kaum essen und auch das verursacht Gewissensbisse, wenn sie die Bilder von hungernden Syrer*innen sieht. Othmann schildert eine Seite des Krieges in Syrien und der daraus resultierende Fluchtbewegung, die bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren hat: Mit Leyla hat sie eine Figur erschaffen, die körperlich weit weg von den Geschehnissen ist und seelisch ganz nah dran. Zerrissenheit ist das Thema dieses Romans und Othmann schreibt den Konflikt Leylas so herbei, dass man beinah selbst fühlt, wie die Protagonistin in zwei Teile bricht. Für mich eines der Bücher, die man dieses Jahr unbedingt gelesen haben sollte!