Zwischen den Kulturen

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meggy_weltentaucherin Avatar

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Leyla ist in Deutschland geboren, wo sie zur Schule geht, sie hat deutsche Freunde, eine deutsche Mutter, kurz: ein deutsches Leben. Doch dieser Alltag wird jedes Jahr für sechs Wochen durch einen anderen ausgetauscht. Seit Leyla denken kann, verbringt sie die Sommerferien in Kurdistan. Das darf sie aber niemandem erzählen; falls jemand fragt, dann fliegt sie nach Syrien. Das hat ihr ihr Vater eingebläut. Dort, in einem kleinen Dorf, leben ihre Großeltern, ihre Tanten und Onkel und ihre Cousinen. Immer sind Verwandte oder Verwandte von Verwandten oder Freunde oder Nachbarn zu Besuch, immer ist etwas los, immer gibt es Arbeit, nie ist Leyla allein. Es ist heiß und trocken, sie spielt mit ihren Cousins, liest oder läuft ihrer Großmutter hinterher. Sechs Wochen erscheinen aus der Kinderperspektive wie eine halbe Ewigkeit, doch der Abschied kommt trotzdem immer zu früh. Dann wird Leyla zurück in ihr deutsches Leben geworfen und ist plötzlich wieder allein. Wie lebt es sich mit zwei verschiedenen Leben? Wie erzählt man den Freunden von der einen, der Familie von der anderen Welt? Mit diesen persönlichen, aber auch mit politischen, Fragen beschäftigt sich Ronya Othmanns großartiger Roman.

Die Autorin schreibt fesselnd, mal in kurzen, aneinandergereihten Hauptsätzen, mal in blumig ausgeschmückten Bandwurmsätzen. Die Geschichte schreitet zwar voran, es gibt jedoch einige Sprünge und Rückblenden, manchmal weiß man als Leser*in nicht genau, wo man sich sich zeitlich gerade befindet. Das unterstreicht, dass sich die Geschichte wie eine große Erinnerung liest.

Man fühlt mit Leyla mit, kann sich in sie hineinversetzen und lernt gleichzeitig etwas über die kurdische Kultur und Geschichte. Ein wirklich empfehlenswerter Roman!