Zwischen zwei Kulturen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
dozzeline Avatar

Von

„Bist du mehr deutsch oder kurdisch, fragte die Mutter der Schulfreundin. Deutsch, sagte Leyla, und die Mutter der Schuldfreundin wirkte zufrieden.
Fühlst du dich mehr deutsch oder kurdisch, fragte Tante Felek. Kurdisch, sagte Leyla, und Tante Felek klatschte vor Freude in die Hände.“

Layla wächst als Kind der 90er und 2000er in Deutschland auf. Nur die Sommer verbringt sie jedes Jahr bei der Familie ihres Vaters in einem kleinen Dorf in Syrien nahe der Türkischen Grenze. Allerdings heißt dieses Land für Layla und ihre Familie nicht Syrien. Die Familie ihres Vaters gehört zur kurdischen Minderheit. Als Jesiden leben sie in ihrer Heimat als Menschen zweiter Klasse, viele Bürgerrechte und Bildungschancen bleiben ihnen verwehrt. Und mit dem Aufstieg des IS fällt ein weiterer Schatten auf Laylas Kindheitsparadies.

Ronya Othmann erzählt in „Die Sommer“ die Geschichte eines Mädchens, das zwischen zwei Kulturen aufwächst und sich aufgrund von Unverständnis und Gleichgültigkeit ihres deutschen Umfelds immer weiter von diesem entfremdet. Auf verschiedenen, miteinander verwobenen Zeitebenen, erzählt das Buch die Geschichte einer Familie – von der Vertreibung und Flucht der Großmutter aus der heutigen Türkei, über die Flucht des Vaters nach Deutschland, da ihm in Syrien als Kurden Pass und Studium verwehrt blieben, bis hin zu Layla: die vor dem Fernseher dabei zusieht, wie der IS die Orte ihrer Kindheit dem Erdboden gleichmacht, während nach wie vor jedes Lebenszeichen ihrer Verwandten fehlt.

„Die Sommer“ ist gleichzeitig ein wahnsinnig spannendes und wahnsinnig wichtiges Buch! Mein Vorwissen über die Kurden vor der Lektüre dieses Buches war marginal – großzügig geschätzt. Und die äußerst distanzierten Reaktionen der deutschen Freunde haben mir definitv einen Spiegel vorgehalten. Absolute Leseempfehlung – für alle, die etwas Ignoranz loswerden, und alle, die einfach nur einen spannenden Roman lesen wollen.