Chinesische Interessen an Afrika

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dj79 Avatar

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In Shanghai tagt ein Kongress zur Vergabe der nächsten Olympischen Sommerspiele. Die Entscheidung soll zwischen Europa und Afrika fallen. Überschattet wird Verhandlungsprozess vom Mord am mosambikanischen IOC-Funktionär Charles Murandi. Motive gibt es im Umfeld des umtriebigen Murandi genug. Da sind die überbordenden chinesischen Interessen, Korruptionsverdächtigungen seitens der deutschen Presse sowie das Schicksal der sogenannten Madgermanes, die als mosambikanische Vertragsarbeiter in der DDR tätig waren und bei ihrer Rückkehr um ihre Zukunft betrogen worden sind.

In gehobener Sprache gewährt uns Stephan Schmidt einen ausschnitthaften Einblick in die chinesische Lebenswirklichkeit. Selbstverständnis und Stolz der Partei treffen auf die tägliche Realität, lassen eine seltsam anmutende Stimmung in der Gesellschaft entstehen, die irgendwo zwischen bevorstehender Revolte und maximaler Obrigkeitshörigkeit verortet ist. Die Ausrichtung an den Leitlinien der Partei scheint ein schier unmögliches Unterfangen, weil zunehmend unklar ist, welche der unbekannten, ungeschriebenen Regeln jeweils gerade gültig sind.

In diesem Umfeld gerät ein Deutscher, Thomas Gärtner, ins Visier der chinesischen Behörden. Mit seiner Einreise via Touristenvisum hat der recherchierende Journalist einen Stockfehler begangen. Im gleichen Hotel ansässig wie der Tote ist die Sache für die Chinesen ziemlich schnell klar. Um die Mordermittlungen herum konstruiert der Autor ein interessantes Verwirrspiel mit leicht offenem Ende. Die Reichweite und Komplexität des chinesischen Einflusses in Afrika sind beeindruckend. Die Verknüpfung des aktuellen Kontexts mit den mosambikanischen Vertragsarbeitern in der DDR gekonnt umgesetzt.

Durch die vielen politischen Aspekte ist der als Krimi ausgewiesene Roman natürlich nicht so spannend und Herzklopfen verursachend wie andere, die mit Verfolgungsjagden aufwarten. Hier wird eher mit spannenden Hintergrundinformationen zum immer weiter aufstrebenden China gepunktet, das mit seinen Aktivitäten unser von gewisser Arroganz geprägtes, westliches Wirtschafts- und Lebensmodel ins Wanken bringen kann. Ich hatte geradezu den Eindruck, als würde ich dem erfolgversprechenden Versuch beiwohnen, scheidende Kolonialmächte durch eine mächtigere Neue zu ersetzen.

Insgesamt hat mir der Roman sehr gefallen. Auf mich machte er einen perfekt recherchierten Eindruck. Man merkt, dass sich Stephan Schmidt schon lange mit China auseinandersetzt. Die aus der Fantasie des Autors stammenden Szenen mit den deutschen Politiker:Innen erschienen mit durchaus glaubwürdig, haben mich in dem ansonsten eher ernsten Roman hin und wieder schmunzeln.