Mosambik - DDR - Shanghai - Berlin

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tsubame Avatar

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Wenn ich mir ansehe, wieviele Rezensent(inn)en das neueste Buch von Stephan Schmidt, besser bekannt als Stephan Thome als 'langweilig', 'schwierig' oder 'enttäuschend' bezeichnet haben, frage ich mich wieder einmal, ob wir tatsächlich alle das selbe Buch gelesen haben. Ich nämlich fand den Politkrimi ausgesprochen spannend.

Geschickt verknüpft der Autor die Schicksale eines afrikanischen IOC-Funktionärs, eines deutschen Journalisten und einer deutschen Konsularbeamtin in Shanghai, baut die (zumindest mir) gänzlich unbekannte Geschichte der "Madgermanes" ein, erzählt von den "Überzähligen" (Kinder, die es gemäß der einstigen Ein-Kind-Politik in China gar nicht geben dürfte) und vermittelt außerdem einen Eindruck davon, wie schwer sich der Westen tut, mit China zu verhandeln, indem er Angela Merkel als fiktive Figur samt Delegation zur Vergabe der Olympischen Spiele aus Berlin anreisen lässt. Auch wenn die Bundeskanzlerin selbst im Buch nie namentlich genannt wird, ist sie treffend charakterisiert und zudem in Begleitung ihres Regierungssprechers Steffen Seibert und Horst Seehofer unterwegs.

Der Besuch fällt mit dem Tod Charles Murandis zusammen, einem ehemaligen Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR, jetzt als hochrangiger IOC-Funktionär geschäftlich in Shanghai unterwegs. Unter Verdacht steht der deutsche Journalist Thomas Gärtner, der den Toten als Letzter in seiner Hotelsuite aufgesucht hat (so zumindest kann man es auf den Überwachungskameras sehen). Als Gärtner verhaftet wird, ist es die Konsularbeamtin Lena Hechfellner, die mit den Chinesen verhandeln soll. Alle drei Personen (Murandi, Gärtner und Hechfellner) kennen sich von früher. Wie geht man mit dieser Situation um, noch dazu, wo Gärtner mit einem einfachen Touristenvisum nach China eingereist ist?

Ich fand das Buch ausgesprochen fesselnd! Man erfährt so viel mehr über China als man aus der Tagespresse entnehmen könnte. Stephan Schmidt kennt sich sehr gut aus, scheut sich aber auch nicht, so genannte "Chinakenner(innen)" auf die Schippe zu nehmen, indem er ihr unzureichendes Chinesisch in fehlerhaftes Deutsch zurück übersetzt. Und plötzlich hört man vor allem den/die Ausländer(in) und weniger den/die Kenner(in). Die Zwischentöne, die er setzt, sind mindestens genauso spannend wie die Geschichte selbst.

Mich hat der Politkrimi, als den ich persönlich ihn bezeichnen würde, vollends überzeugt. Gerne mehr davon!