Die Spionin – Gefühlvolle Annäherung an eine Geheimnisvolle

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
nicky_g Avatar

Von

„Und ich bereute fast, hergekommen zu sein – vielleicht hatte ich einen für meine Füße zu großen Schritt getan.“ (S. 51)

Die Geschichte von Mata Hari dürfte jeder schon einmal gehört haben. Aber welche Frau steckte hinter der Legende? Paulo Coelho versucht, dieser ungewöhnlichen Geschichte ein wenig näher zu kommen, ohne den Anspruch zu erheben, eine Biographie vorzulegen. Die wäre bei dem dünnen Büchlein garantiert auch umfangreicher ausgefallen. Scheinwerferartig beleuchtet er einzelne Szenen, die es so gegeben haben könnte, und skizziert so eine Frau, die nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens stand, auch wenn es auf dem ersten Blick so erscheinen mag.

Angereichert mit Bildern gewinnt der Roman an Authentizität. Die Beschreibungen sind sehr ausführlich und detailliert, zum Beispiel wie ihr Pelzmantel aussah oder dass einer der Soldaten des Erschießungskommandos Platzpatronen erhalten hat, damit jeder sagen könnte, er hätte den tödlichen Schuss nicht abgegeben.

Nach einem Prolog kommt Mata Hari selbst zu Wort und zwar in einem Brief an ihren Anwalt. Einfühlsam und überzeugend, interessant und mit einer bildreichen Sprache, die aber nicht gewaltig über den Leser herfällt, sondern leise und melancholisch anklingt, versucht sie, ihr Leben zu erklären und dem Grund auf die Spur zu kommen, warum ihr Lebensweg sie ins Gefängnis geführt hat.

Obwohl er ein Mann ist, schafft Paulo Coelho es glaubwürdig, Mata Hari eine Stimme zu geben, die dieser faszinierenden und beeindruckenden Frau gerecht wird. Diese kleinen philosophischen Sätze fügen sich wunderbar in Sprache und Leben der Mata Hari ein, geben Einblick in das Innere, legen Gedanken und Gefühle offen.

Mata Hari erweckt den Eindruck, naiv gewesen zu sein und missverstanden in einer Welt, in der sie nur frei sein wollte, aber allein in einem goldenen Käfig lebte. Sie sah alles als ein Spiel an, das in Kriegszeiten derart gefährlich wurde, dass sie als Spionin gebrandmarkt und hingerichtet wurde.

Eine Biographie darf man nicht erwarten, sondern eher nachdenklich angehauchte Aussagen Coelhos, die er mit großer Ausdruckstärke zu übermitteln weiß.