Fesselndes Leseerlebnis über die legendäre Mata Hari

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nataliegoodman Avatar

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Gestern hatte ich Paulo Coelhos neuen Roman "Die Spionin" im Briefkasten, noch am selben Abend habe ich ihn ausgelesen. Der Autor lässt Mata Hari ihre Lebensgeschichte in einem Brief an ihre entfremdete Tochter selbst erzählen und schafft dabei ein flüssiges, fesselndes Leseerlebnis.

Obwohl sie nur 41 Jahre alt wurde, führte die gebürtige Niederländerin ein bewegtes und teilweise sehr glamouröses und exzentrisches Leben: Eine tragische Jugend, eine unglückliche Ehe, eine Karriere als Tänzerin. Im Ersten Weltkrieg wurde sie schließlich von den Deutschen als Spionin angeworben und bot sich Frankreich daraufhin als Doppelagentin an. Am Ende des Buches berichtet ihr Anwalt von Mata Haris Festnahme und von dem Prozess, der zu ihrer Hinrichtung führte.

Im Laufe des Buches wird klar, dass die Angeklagte vermutlich keine relevanten Informationen weitergegeben hat und die Bezeichnung als Spionin eher übertrieben ist. Das Mysterium bleibt trotzdem bestehen und die Frage, was Mata Hari genau während des Krieges getan hat, beantwortet auch Paulo Coelho nicht vollständig. Es handelt sich jedoch, wie er im Anhang selbst betont, bei "Die Spionin" nicht um eine offizielle Biografie. Stattdessen hat der Autor sich die kreative Freiheit genommen, bestätigte historische Ereignisse (die im Buch mit Fotos und historischen Dokumenten geschickt unterstrichen werden) zu einem teilweise fiktiven Roman zusammenzufügen. Das macht er auf sprachlich hohem Niveau, jedoch hätte ich mir hier gewünscht, dass er inhaltlich einfach mehr erzählt und mehr erfindet, um seine fiktive Version von Mata Haris Lebensgeschichte auszuschmücken.

Was Coelho zeigt, ist stattdessen das Portrait einer starken, modernen, unabhängigen und egozentrischen Frau, die von den Menschen in ihrer Umgebung oft missverstanden und/oder ausgenutzt wird. (Und die ganz schön viel Mansplaining über sich ergehen lassen muss. ;) )

Insgesamt hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht. Für so eine komplexe Geschichte und eine interessante Protagonistin ist das Buch doch ziemlich kurz ausgefallen. Selbst Begegnungen mit spannenden Zeitgenossen wie Freud und Picasso werden wie nebenbei abgefrühstückt.
Knapp 200 Seiten klingen erst einmal relativ ok, doch wegen des sehr kleinen Formats und des langen Anhangs ist die reine Geschichte am Ende sehr kurz.