Für mich nicht überzeugend

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sorko Avatar

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Ich denke, es ist schwierig, und ich finde es mutig von Paulo Coelho, dieses Buch zu schreiben. Wir wissen von Mata Hari nicht viel Belegbares. Das, was über sie bisher geschrieben wurde, ist oft widersprüchlich. Die Gerichtsakten über sie dürfen meines Wissens erst 100 Jahre nach ihrem Tod, also 2017, geöffnet werden. Einige Dokumente sind bekannt, die hat Coelho im Buch abgebildet. Doch die sagen über ihre Person nicht wirklich viel aus.

Also, so sagt es der Autor ja auch selbst, handelt es sich um viel Fiktion. Sich als Fremder, viel später Geborener, und dann auch noch als Mann in die Persönlichkeit Mata Hari hinein zu versetzen, ist bestimmt nicht einfach. Wenn es überhaupt möglich ist. Ich vermute, das war der Grund, warum er in die Gefühlswelt dieser bemerkenswerten Frau nicht so tief eingestiegen ist. Er konnte das natürlich nicht. Ich habe mich an einigen Stellen im Buch dabei ertappt, dass ich mehr wissen wollte. Da wurde etwas nur kurz angerissen, dann ging es weiter. Aber dann fiel mir wieder ein, dass der Autor das nicht näher beleuchten konnte, denn er konnte das ja nicht wirklich wissen. Und wenn er da seiner eigenen Phantasie freien Lauf gelassen hätte, wäre das wohl zu konstruiert geworden. Nein, Coelho konnte da nicht tiefer einsteigen, aber man hätte es sich ausführlicher gewünscht. Wenn Mata Hari das Buch selbst geschrieben hätten, wäre es sicher ganz anders ausgefallen.
So, wie es sich darstellt, war sie ein beeindruckende Person. Eine Frau, die ihren eigenen Weg ging, die meiner Ansicht nach auf ihren eigenen Weg mehr oder weniger gezwungen wurde. Wenn sie als Kind in der Schule tatsächlich schon vergewaltigt wurde, dann hat das ihre Persönlichkeit und ihre Entwicklung sicher beeinflusst. Sie hatte Probleme mit intensiven Gefühlen, sie benutzte die Männer, und durch ihr gutes Aussehen kam sie offenbar an sehr einflussreiche Männer heran. Dadurch lernte sie den Luxus kennen und lieben, das prägte sie ebenfalls. Sie wollte nicht einfach leben, und dafür ging sie Risiken ein, die sie wohl selbst nicht richtig einschätzen konnte.

Das hat Coelho zum Ausdruck gebracht, in der Kürze der Darstellung liegt sicher ein Problem, aber es war für den Autor wohl nicht anders machbar. Die Sprache ist klar, die wenigen Fakten zu Mata Hari sind erwähnt worden. Trotzdem überzeugt mich das nicht ganz. Man möchte mehr über diese Frau wissen, aber vielleicht werden wir nie viel mehr erfahren. Vieles bleibt Spekulation. Und über unbekannte Geschehnisse und nur vermutete Gefühle eine fiktive Geschichte zu schreiben – das ist dann eine Spekulation mehr. Als Schriftsteller stelle ich Coelho nicht in Frage, er schreibt sehr gute Geschichten. Als eine bemerkenswerte Frau, die aller Wahrscheinlichkeit nach unschuldig verurteilt wurde, sehe ich Mata Hari. Dieses Buch mag dazu beitragen, sich an sie wieder zu erinnern. Das ist der positive Teil. Aber der fiktive Brief von Coelho spricht mich nicht an.