„Ich bin die Nachtigall, die für die Liebe alles gegeben hat und darüber starb“ (Mata Hari)

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miss marple 64 Avatar

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„Mata Hari ist tot“, so ein Offizier nach ihrer Hinrichtung am 15.Oktober 1917. Wer war diese geheimnisvolle Frau, die man der Spionage anklagte und ihren Beteuerungen, unschuldig zu sein, nicht glaubte?
In seiner Erzählung-man kann die 172 Seiten nicht wirklich einen Roman nennen- nähert sich Coelho auf einfühlsame Weise jener Frau, von der er selbst sagt, dass sie die erste Frau des 20.Jahrhunderts war, die von Männern des 19. Jahrhunderts hingerichtet wurde.
So lässt er sie in den letzten Tagen ihres Lebens, immer noch auf Begnadigung hoffend, einen Brief schreiben, der aus ihrer Sicht ihr Leben reflektiert, ihre Kindheit und Jugend in der holländischen Provinz, ihre Flucht in eine Ehe, nachdem sie an der Kindergärtnerinnenschule, wo sie eine Ausbildung absolviert, vom Direktor missbraucht wird. Sie berichtet über ihre Zeit in Niederländisch-Ostindien, wo ihr Mann als Offizier stationiert ist, sie ihre Kinder zur Welt bringt und eins verliert. Wie ihr Mann sie regelrecht einsperrt und mit einheimischen Frauen fremdgeht. Bis der Selbstmord einer Offiziersgattin sie aufrüttelt und sie die Heimreise erzwingt. Wieder in Holland wird sie alsbald die Familie verlassen und nach Paris gehen, wo nun ihre glanzvollen Jahre als Tänzerin und Geliebte vieler bedeutender Männer beginnen.
Im Laufe des 1.Weltkrieges verblasst jedoch ihr Stern und sie gerät zwischen die politischen Fronten und erkennt nicht, welche Intrigen um sie gesponnen werden.
Coelho nimmt seine Leser auf eine spannende Zeitreise mit. Er fesselt mit dem Schicksal einer bemerkenswerten Frau, die mit ihrem Drang nach Unabhängigkeit und dem Wunsch nach wahrer Liebe und Glück in die falsche Zeit hineingeboren wurde. Die Erzählung hat nicht den Anspruch, eine große Biographie von Margaretha Zelle-so ihr bürgerlicher Name-zu sein, wie der Autor im Nachwort schreibt. Vielmehr ist sie der Einblick in die Gedanken-und Gefühlswelt einer Frau, deren „Sünde darin bestand, eine Frau zu sein; in der noch größeren Sünde, frei zu sein; in der ungeheuerlichen Sünde, mit Männern eine Beziehung eingegangen zu sein, deren Ruf um jeden Preis gewahrt werden musste, was nur möglich war, wenn Sie für immer aus Frankreich oder, noch besser, aus der Welt verschwanden.“(S.155), wie der Autor ihren Anwalt in einem fiktiven Brief schreiben lässt.
Coelho lässt den Leser den Zeitgeist erspüren und führt uns eigentlich sehr deutlich vor Augen, was uns heute Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung wert sein sollten. In altbekannter Weise regt er mit seinem Büchlein zum Nachdenken über das eigene Leben und seine Gestaltung durch jeden selbst an.