Brandaktuell und tiefgründig

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carolaww Avatar

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Daniel Glattauer hat eine schöne feingeistige Sprache, sie wirkt locker und flüssig. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Es hat mir sehr gut gefallen.
Glattauer erzählt, was eine Katastrophe mit den Menschen macht, denn nachdem die Binders und Strobl-Martineks das somalische Mädchen mit in den Urlaub in die Toskana genommen haben, wird sehr schnell der Höhepunkt erzählt, und man denkt: Mmh, was soll jetzt noch kommen?
Aber es kommt noch viel: Konflikte, Traumata, Verwirrungen, Kommentare, Zweifel, Selbstzweifel, Reaktionen der Opfer, Streitereien.
Zielsicher entwickelt Glattauer einen neuen Spannungsbogen, den er dann auch mit einem weiteren Höhepunkt beendet, wobei er den Opfern endlich eine Stimme gibt. Man erfährt dabei hautnah, was nicht in den Schlagzeilen an erster Stelle steht und was für uns so weit weg ist, sodass wir schon abgestumpft sind. Und nun müssen wir endlich das Leid anderer wahrnehmen.
Der Autor hat bei der Charakterisierung seiner Figuren zwar jede Menge Klischees eingebaut, z.B. der besserwisserische Universitätsdozent, die Selfie verrückte Teenagerin. Aber er zeichnet die Personen menschlich, sie dürfen sich irren und sich auch zu ihren Fehlern bekennen.
Es werden viele Probleme benannt, wie das Rechtssystem, die Ausländerkultur, die Internetgefahren. Obwohl die Handlung in Österreich spielt, kann man alles eins zu eins auf Deutschland anwenden.
Daniel Glattauer verwendet Überschriften, die neugierig machen, und verschiedene Schreibstile: Kommentare im wörtliche-Rede-Stil, Bild-(Foto)beschreibungen , Perspektivwechsel, Ironie. Auch das trägt dazu bei, dass man unbedingt wissen will, wie es ausgeht.
Außerdem begleitet er die Dialoge mit der Beschreibung von Gestik und Mimik der Protagonisten, sodass deren Gefühle und Ungesagtes erkennbar wird.
Ich finde, das Buch sollten Junge und Ältere (Eltern) lesen und dann miteinander darüber reden. Damit wir mehr auf unsere Mitmenschen bzw. Nachbarn schauen.